Politische KommentatorInnen betonen, dass rechts und links heute ihre Bedeutung verloren hätten, dass nicht mehr klar sei, was sich inhaltlich dahinter verberge. Gleichzeitig wird davon gesprochen, dass in Europa rechts/rechtspopulistisch im Vormarsch wären. Auch haben in der (rechten) Politik die ausgrenzende Zuordnung zu links, ja ihre vorschnelle Etikettierung als „linksextrem“, sowie der eigene Anspruch auf die politische Mitte geradezu Konjunktur. In Anbetracht dieser Debatten entsteht der Eindruck, dass wir zwar nicht mehr wissen, was rechts und links bedeuten, dass aber gerade die Unkenntnis PolitikerInnen nicht darin hindert, von links und rechts und deren äußersten Rändern zu sprechen, um für sich die Harmlosigkeit der Mitte zu beanspruchen. Daher stellt sich die Frage: Was ist in der politisch-begehrten Mitte „drinnen“? Unterschiedliches, so die vorläufige Antwort. Erstens die Mitte strebt rhetorisch dorthin, wo die meisten Stimmen der WählerInnen zu erwarten sind. Zweitens geographisch liegt die Mitte zwischen rechts und links. Von der Mitte aus gedacht sind rechts und links tatsächlich keine programmatischen Ansagen. Rechts und links werden von den selbsternannten Trägern der politischen Mitte gebraucht und dazu instrumentalisiert, um überhaupt als Mitte wahrgenommen werden zu können. Dies führt dazu, dass in Europa die politische Mitte – oder das, was als normal assoziiert wird - in inhaltlicher Hinsicht äußerst different ausfällt. In Ländern, in denen rechte und rechtsextreme Proponenten an der Macht sind, sind in regierungsoffiziellen Darstellungen nicht selten Positionierungen, die in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur als rechtsextrem eingestuft werden, Teil der verschobenen Mitte. Fremdenhass und Antisemitismus, Relativierung des Nationalsozialismus und Rückbau demokratischer Rechte werden so in den Normalitätsfokus gerückt, ihnen kommt das „Rechtsextreme“ abhanden. Wenn nun in Österreich derzeit die Prüfung einer vergleichsweise rechts-nationalistischen Partei läuft, dann hätte deren Gründung nicht zuletzt die Funktion, die derzeitigen Ränder der rechten/rechtsextremistischen Mitte weiter in Richtung Wahrnehmungs-Mitte zu rücken – weil es ja rechtsaussen noch weiter geht. Gerade die ÖVP, aber auch die FPÖ könnten, rein strategisch gedacht, Interesse an einer derartigen Parteigründung finden – nicht weil ihnen eine Nähe zu diesen Inhalten unterstellt werden dürfte, sondern weil dadurch das Parteienspektrum einmal mehr nach rechts verschoben werden würde und folglich die rechtsextremen Ränder nicht mehr in der eigenen Regierung verortet werden müssten. NACHLESE --> Über den Sozialstaat diskutieren!? - 3.4.2002 --> Wider die freie Meinung - 18.3.2002 --> Geburtenrate eine Wohlstandsfrage? - 25.02.2002