Budapest - Der neue ungarische Ministerpräsident
Peter Medgyessy (59) und seine Koalitionsregierung aus Sozialisten
und Liberalen sind am Montag vereidigt worden. Das neue Kabinett, dem
elf von den Sozialisten und vier von den Liberalen entsandte Minister
angehören, löste die Regierung des Konservativen Viktor Orban ab,
dessen Bund Junger Demokraten (FIDESZ) bei den Parlamentswahlen im
April knapp gegen das sozialistisch-liberale Bündnis unterlegen war. Für den von den Sozialisten nominierten parteilosen Medgyessy
stimmten im Parlament in Budapest 197 Abgeordnete der Ungarischen
Sozialistischen Partei (MSZP) und des Bundes Freier Demokraten
(SZDSZ). 178 Abgeordnete der Opposition stimmten gegen ihn, ein
Abgeordneter enthielt sich. Gemäß der ungarischen Verfassung
entschieden die Parlamentarier in dieser Wahl nicht nur über die
Person des Regierungschefs, sondern auch über dessen
Regierungsprogramm.
"Programm der nationalen Mitte"
Das von Medgyessy am Freitag vorgelegte "Programm der nationalen
Mitte" strebt "Wohlstand für alle" an und will ein wirtschafts- und
investitionsfreundliches Klima fördern. Aller Voraussicht nach wird
Ungarn unter der Regierung Medgyessy den Beitritt zur EU vollziehen.
Im bevorstehenden Finale der Beitrittsverhandlungen werde sein
Kabinett "die Interessen Ungarns vertreten", erklärte der
Ministerpräsident in der Regierungsdebatte.
Die Koalition aus Sozialisten und den liberalen Freien Demokraten
kündigte an, Armut und Korruption zu bekämpfen sowie den Weg zu einem
EU-Beitritt zu ebnen. Vor dem Parlament kündigte Medgyessy eine
deutliche Verbesserung des Lebensstandards mit Hilfe einer
marktfreundlichen Wirtschaftspolitik an. Ein Sofortprogramm für die
ersten 100 Regierungstage sehe unter anderem die Erhöhung der
Gehälter von Lehrern und anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst
um 50 Prozent vor. Die neue Regierung hatte zuvor die Schaffung von
bis zu 400.000 neuen Arbeitsplätzen, den Bau neuer Autobahnen und
eine Reform des Gesundheitssystems angekündigt.
Parteiloser Finanzfachmann
Medgyessy ist ein parteiloser Finanzfachmann, der allerdings dem
reformorientierten Technokratenflügel der alten kommunistischen
Partei vor der Wende angehört hatte und deshalb mit der heutigen MSZP
eng verbunden ist. Das von ihm geführte Kabinett besteht aus
Persönlichkeiten, die sich entweder im politischen Leben bereits
große Routine erworben haben oder die als Quereinsteiger in ihrem
Herkunftsmetier über entsprechendes Ansehen verfügen.
Der neue Außenminister Laszlo Kovacs füllte dieses Amt bereits in
der zwischen 1994 und 1998 amtierenden sozialliberalen Regierung von
Gyula Horn aus. Seit 1998 ist er auch MSZP-Vorsitzender.
Finanzminister wurde der 39-jährige Sozialist Csaba Laszlo, ein
Fachmann für Haushaltsfragen mit langjähriger Erfahrung im
Finanzministerium. Der von den Liberalen nominierte
Wirtschaftsminister Istvan Csillag zählt zu den führenden
Wirtschaftsforschern seines Landes. Der von den Sozialisten
nominierte Justizminister Peter Barandy ist ein Budapester
Staranwalt, der immer wieder seine Stimme für die Unabhängigkeit der
Justiz und für den Respekt vor dem Rechtsstaat erhoben hat. Die
Sozialistin Monika Lamperth, eine Expertin für Kommunalpolitik, ist
die erste Frau in Ungarn, die ein Innenministerium leitet.
Nationalratspräsident und SPÖ-Vizeparteichef Heinz Fischer
wünschte der neuen ungarischen Regierung viel Erfolg für ihre Arbeit
im Interesse Ungarns, im Interesse Europas und im Interesse der
traditionell guten ungarisch-österreichischen Zusammenarbeit. "Die
neue ungarische Regierung wird eine historische Aufgabe zu erfüllen
haben und auch erfüllen, nämlich Ungarn in die Europäische Union zu
führen und Österreich wird dabei ein fairer Partner sein", betonte
Fischer laut SPÖ-Pressedienst vom Montag. Von der Fortsetzung der
guten parlamentarischen Zusammenarbeit sei er überzeugt, so Fischer.(APA/dpa/Reuters)