Deutschland
Deutsche Kirchen warnen vor Antisemitismus
Kardinal Lehmann: Den Juden zugefügtes Unrecht bringt für Deutsche "besondere Verpflichtung" gegenüber Israel
Bonn - Repräsentanten der christlichen Kirchen in
Deutschland haben vor jeder Form von Antisemitismus gewarnt. Der
Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Karl
Lehmann, erklärte laut Kathpress in Bonn, angesichts des Unrechts,
das den Juden in der Nazi-Zeit zugefügt worden sei, hätten die
Deutschen eine "besondere Verpflichtung" gegenüber Israel. Das
entbinde nicht davon, sich zu Wort zu melden, wenn Menschenrechte
verletzt würden. Anlass der Äußerungen Lehmanns war die Debatte, die
der stellvertretende FDP-Vorsitzende Jürgen Möllemann ausgelöst hat. Der evangelische Berliner Bischof Wolfgang Huber sagte, Kritik am
Staat Israel müsse möglich sein; wer die Politik Israels ablehne,
dürfe nicht "schon deshalb sofort als Antisemit dargestellt" werden.
Huber warf aber zugleich Möllemann vor, "auch im Bereich derjenigen
nach Stimmen zu angeln, die für antisemitisches Gedankengut anfällig
sind". Aufgabe der Politiker sei nicht, "diese Einstellungen zu
fördern und sich zunutze zu machen, sondern sie in Grenzen zu
halten".
Friedman wünscht sich breite Debatte
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel
Friedman, rief die großen gesellschaftlichen Gruppen auf, sich an der
aktuellen Antisemitismus-Debatte zu beteiligen. Er vermisse die
Einmischung von Intellektuellen und anderen Gruppierungen. In der
Kontroverse mit den Liberalen gehe es nicht um einen Streit zwischen
der FDP und dem Zentralrat oder um eine persönliche
Auseinandersetzung zwischen ihm und Möllemann, sondern um politische
Fragen. Friedman warf den Liberalen vor, Antisemitismus "salonfähig"
zu machen.
Die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sieht eine neue
"verbale antisemitische Aggression" in Deutschland. Bestimmte
Elemente in Deutschland beuteten die legitime und ernsthafte
Diskussion über Israel und den Nahen Osten aus, "um ihre
antisemitische Tagesordnung durchzusetzen", heißt es in einer von der
Gedenkstelle veröffentlichten Erklärung. Anlass der Erklärung war der
gegenwärtige Besuch von FDP-Vorsitzendem Guido Westerwelle am Montag
in Yad Vashem. "Antisemitische Rhetorik, die Jahrzehnte lang nicht
toleriert wurde", tauche wieder auf und drohe hingenommen zu werden,
heißt es in dem Text.(APA)