Manchmal erlaubt sich die Geschichte ein Augenzwinkern. Und so erinnerten am Dienstag, als das "historische" Abkommen zwischen Russland und der Nato unterzeichnet wurde, russische Zeitungen an die größte Blamage der damals noch weltgrößten Militärmaschinerie: Vor genau 15 Jahren war der Deutsche Mathias Rust mit einer Sportmaschine von Finnland aus mühelos an der sowjetischen Luftabwehr vorbeigeflogen und auf dem Roten Platz in Moskau gelandet.

Die Warnungen russischer Hardliner, mit der weiteren Annäherung an die Nato betreibe Moskau einen Ausverkauf seiner Sicherheitsinteressen, erhalten unter diesem Aspekt eine pikante Note. Soll die neue Kooperation zwischen der Allianz und Russland doch auch gerade Aktionen à la Rust verhindern. Statt des Juxpiloten hätte ja ein Terrorist in der Cessna sitzen und eine Bombe auf den Kreml werfen können.

Russlands Bevölkerung sieht die Sache denn auch gelassener als die orthodoxe Fraktion in Militär und Diplomatie: Laut einer repräsentativen Umfrage erwarten rund 33 Prozent von der Vereinbarung mit der Nato eine Stärkung und nur etwa 25 Prozent eine Schwächung der Sicherheit des Landes.

Wie realistisch diese Einschätzung ist, hängt zuallererst aber von der künftigen Entwicklung der westlichen Allianz ab. Kritiker meinen, das Abkommen mit Moskau sei der Anfang vom Ende der Nato; die nächste Erweiterungsetappe werde das Bündnis noch weiter weg von einem effizienten Sicherheitspakt und hin zu einem unverbindlichen Debattierklub bewegen, der den USA noch mehr Spielraum als bisher erlaubt.

Genau davor aber, vor einem wachsenden Unilateralismus, haben neben anderen auch die russischen Hardliner stets gewarnt. Gerade sie müssten daher an möglichst starker Mitsprache Moskaus interessiert sein. Wie übrigens auch die Europäer an ihrer eigenen. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 29.5.2002)