In der Mode ist es natürlich nicht anders als in anderen Branchen: Zwischen Kreativität und Produktion, zwischen der Idee und ihrer Umsetzung liegt manchmal eine Kluft, die sich aus unterschiedlichen Herangehensweisen, aber auch aus Vorurteilen und Ressentiments der Beteiligten gebildet hat. Der Grundgedanke, diese Kluft zu überwinden, ist einer der Beweggründe, warum Projekte wie das hier behandelte überhaupt in Gang kommen. "Es herrscht auf beiden Seite doch eine beträchtliche Angst", meint Andreas Bergbaur, Assistent an der Modeklasse der Hochschule für angewandte Kunst unter der Leitung von Gastprofessor Raf Simons.

Maria Ziegelböck

Zum Beispiel die Angst, dass man von Seiten der in einem ganz "normalen" Industriebetrieb tätigen Professionisten kein Verständnis für neue Lösungen findet, oder auch die Angst der anderen Seite vor so genannten verrückten, nicht umsetzbaren Ideen des Nachwuchses. Ein Angst, die nur durch Zusammenarbeit aufgelöst werden kann.

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Was dieses Kluft-Überbrücken angeht, so ist das Projekt namens "G1 Gallery", das die Modeklasse und der zum Palmers-Konzern gehörige österreichische Hemdenhersteller Gloriette wagten, als geglücktes zu bezeichnen. Palmers-PR-Frau Claudia Greif erzählt von der "großen Freude", die bei Gloriette über die begeisterten Studenten herrschte und lobt den "Avantgarde-Kick", der der traditionellen Hemdenmarke gut tue. Denn die Stoßrichtung stimmt auch konzernintern: Mit der Linie G1 will sich das Haus Gloriette seit einigen Jahren ja bereits in Richtung jung und modern profilieren, in der Zusammenarbeit mit der Angewandten scheint man nun einen der möglichen Wege gefunden zu haben, der auch in Zukunft beschritten werden soll.

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Bei "G1 Gallery" geht es - im Gegensatz zur oft praktizierten Vorgehensweise - nicht darum, dass Studenten und Studentinnen Produkte für eine Firma entwickeln, die dann dort in Serie produziert werden. Die erarbeiteten Entwürfe sind bei diesem Projekt nicht verkäuflich, sie sind Teile der jeweiligen Kollektionen der Studierenden, die bei den insgesamt drei Shows der Modeklasse der Angewandten (7. und 8. Juni im Künstlerhaus in Wien) präsentiert werden.

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Der Hemdenhersteller Gloriette sponsert nicht nur die Shows und plant eine Ausstellung der Fotos und Objekte "an einem populären Ort im Kulturbereich", sondern unterstützte auch die Produktion der Entwürfe. Die Hemden - mehr als 30 Teile - wurden in der Musternäherei der Firma im burgenländischen Stegersbach genäht, dort, wo normalerweise die Prototypen und Musterteile hergestellt werden. Sowohl die Infrastruktur des Betriebes als auch die Erfahrungswerte der Produktionsangehörigen konnten von der Modeklasse durchaus auch im Detail genutzt werden, große Unterstützung, so Bergbaur, kam vor allem auch von der dortigen Produktionsleiterin Elisabeth Krammer.

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Einige der Hemden, Jacken und Hosen, die aus dieser Kooperation resultieren, sind auf diesen Seiten zu sehen. Es sind erstaunlich klassisch anmutende Resultate, geschneidert aus traditionellen Stoffen der Vorarlberger Firma F. M. Hämmerle. Die Spannung und Innovation, die diesen Entwürfen eignet, zeigt sich auf den zweiten Blick, in den Einzelheiten der Modelle, in ihren subtilen Variationen und Abweichungen von der Norm. Zum Beispiel bei Markus Hausleitner, der zum Streifenhemd eine witzige Krawattenlösung stylt (siehe Cover-Foto) oder der ein schwarzes Hemd mit einem Ledereinsatz versieht.

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Oder bei Reinhard Hirzabauer, der das weiße Hemd in seiner Urform so sensibel verändert, dass man es kaum merkt, indem er die Ärmelnähte leicht versetzt und das gute Stück ein ganz wenig aus der Form geraten lässt. In der Kombination mit grauen Hosen gibt das ein Outfit, das an dem jungen Brüderpaar Amadeus und Przemek erstaunlich frisch aussieht. Oder zum Beispiel bei Winfried Mayer, der eine Kombination aus Hemd und Hose ganz in Weiß bringt, die im Spannungsfeld von Dandy und Klassik oszilliert. Oder bei Martin Sulzbachers kurzem Hemd, das eben keine kurzen Ärmel hat, sondern direkt an der Schulter abgeschnitten ist - so wie ein T-Shirt.

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Überhaupt kommt das Hemd als Klassiker in der von Maria Ziegelböck fotografierten Serie recht jung daher, nicht nur wegen der jungen Models. Mit subtilen Eingriffen wird es weg vom Business-Look gelockt, hin auf einen neuen Weg.

Margit Wiener
derStandard/rondo/31/5/02

Fotos: Maria Ziegelböck

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