Die Präsentation des Jahresberichtes des Frauenhauses Graz überzeugte dieses Jahr nicht nur mit Zahlen und Fakten von der Notwendigkeit seiner Existenz, sondern gab auch einer Bewohnerin des Hauses Raum und Zeit, um über ihre Erlebnisse und Hoffnungen berichten zu können.Aufenthaltsdauer leicht steigend Angelika Ratswohl, Geschäftsführerin des Frauenhauses Graz sieht diese Entwicklung durchaus positiv. "Auch wenn immer noch 14 Prozent nicht länger als 3 Tage bei uns bleiben, ist die Aufenthaltsdauer der Frauen leicht im Steigen begriffen. Unsere Beobachtungen zeigen aber, dass sich mit der Dauer des Aufenthalts auch die Chance auf eine unabhängige Existenz der Frauen erhöht." Aber nicht nur die längeren Wohnzeiten, auch die scheinbar grössere Akzeptanz ihrer Institution und der grössere Mut der Frauen lässt die Auslastung in den letzten Jahren in die Höhe schnellen und betrug im ersten Quartal des Jahres 2002 105 Prozent. "Leider mussten wir im heurigen Jahr bereits 26 Frauen mit 28 Kindern aus Platzmangel vorübergehend abweisen. Wir sind leider chronisch überbelegt. Mittlerweile gilt es Gott sei Dank als keine Schande mehr, ins Frauenhaus zu gehen", erklärt Ratswohl diese Entwicklungen. Zweites Haus in der Obersteiermark gefordert Das von Landesrat Flecker forcierte zweite Frauenhaus in der Obersteiermark wird auch vom Frauenhaus Graz unterstützt. Dazu Ingrid Enge, Vorsitzende des Frauenhauses: "Im Raum Bruck - Leoben - Kapfenberg soll ab Frühjahr 2003 ein weiteres Frauenhaus entstehen, was angesichts der Entfernung zu Graz für die Frauen der Region sicherlich eine grosse Erleichterung ist." Dass diese Einrichtung aber die Auslastung der Grazer Einrichtung verringern werde, glaubt sie nicht. "Für viele Frauen aus dieser Region war das Grazer Frauenhaus sicherlich einfach zu weit weg. Aber wenn sie in ihrer Umgebung eine Anlaufstelle für Schutz und Hilfe haben, werden sicher viele den Mut aufbringen, aus ihrer Situation auszubrechen." Erzählungen einer betroffenen Frau Besondere Aufmerksamkeit erregten aber die mit Courage und Reflexion erzählten Erlebnisse einer Bewohnerin des Frauenhauses Graz. Sie habe einfach nicht gewusst, dass es das Frauenhaus gibt und habe so viel zu lange keinen Ausweg aus ihren Lebensumständen gesehen. "Als mich mein dreijähriger Sohn dann aber einmal fragte, wieso ich denn weine, ob mich der Papa wieder einmal verdroschen habe, hab ich gewusst, ich muss da raus." Zusammen mit ihren beiden kleinen Kindern hat sie vier Tage lang den richtigen Zeitpunkt abgewartet, bis sie aus der gemeinsamen Wohnung ins Frauenhaus flüchten konnte. "Wie er zum Schluss mit dem Messer auf mich losgegangen ist, hab ich mir gedacht, das nächste Mal überleb' ich nicht mehr." Wiederaufbau des verschütteten Selbstwertgefühls "Auch wenn wir ständig überbelegt sind und selber mit einem ungeheuren Druck arbeiten müssen, schaffen wir es trotzdem, eine angenehme Atmosphäre für die Frauen und Kinder zu schaffen. Das ist auch ungeheuer wichtig, da unsere BewohnerInnen (das grosse I bezieht sich hier auf die kleinen BewohnerInnen, Anmerkung der Redaktion) erst einmal wieder lernen müssen, dass es ein Leben ohne Gewalt geben kann. Und dann kann am Wiederaufbau des verschütteten Selbstwertgefühl gearbeitet werden", erzählt Ursula Hebenstreit, Diplomsozialarbeiterin des Hauses. Da braucht eigentlich nur mehr die Aussage einer kleinen Mitbewohnerin des Hauses an das Ende gestellt werden: "Ich denke, es ist wirklich gut, dass es Frauenhäuser gibt." (e_mu)