Bern - Die Schweiz gehört laut einem OECD-Bericht zwar nach wie vor zu den reichsten Ländern der Welt. Ihr Wohlstandsvorsprung gegenüber den meisten Industrieländern ist in den letzten 20 Jahren jedoch stetig geschrumpft. Strukturschwächen hemmen das Wachstum. Das makroökonomische Fundament sei gesund, schreibt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem Bericht 2002 über die Lage der schweizerischen Wirtschaft, der am Donnerstag in Bern veröffentlicht worden ist. Zwar habe sich die Schweiz dem jüngsten weltweiten Abschwung nicht entziehen können. Mit rund 1,25 Prozent habe sich das Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) jedoch nahe dem OECD-Mittel behauptet, und die Teuerung bleibe niedrig. Die Experten erwarten im Einklang mit Schweizer Ökonomen für das laufende und das kommende Jahr eine im OECD-Vergleich leicht unterdurchschnittliche Erholung der Konjunktur. Das BIP dürfte 2002 um 1 Prozent und 2003 um 2,25 Prozent wachsen. Die Schweizer Exporte und die Unternehmensinvestitionen dürften wegen der schwachen Auslandmärkte und der Frankenstärke zumindest bis Mitte 2002 schwach tendieren, begründet die OECD ihre Prognose. Lob zollt die OECD der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Mit ihrer flexibleren Geldpolitik verfolgten die Währungshüter einen angemessenen Kurs. Angesichts vielfältiger Risiken solle die SNB wachsam bleiben und bereit sein, notfalls flexibel zu reagieren. Positiv fällt auch das Urteil der OECD über die Budgetpolitik aus. Im Rückspiegel betrachtet, hätten die restriktive Politik 2000 und der expansive Kurs 2001 die Konjunktur stabilisiert. Der Schuldenbremse komme eine Schlüsselrolle zu. Die schweizerischen Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre würdigt die OECD zwar positiv. Sie stärkten das Wachstumspotential der Wirtschaft aber nur marginal. Mit einer umfassenden Strategie gelte es nun, das anhaltend niedrige Produktivitätswachstum zu verbessern und die Wirtschaft auf Wachstumskurs zu trimmen. Aufholbedarf sieht die OECD in der Reform der Produktmärkte. Allein im Gesundheitswesen, in der Landwirtschaft sowie im Elektrizitäts- und Gasmarkt betrügen die möglichen volkswirtschaftlichen Gewinne einer Liberalisierung 4 bis 7 Prozent des BIP. Handlungsbedarf bestehe nicht zuletzt beim Kartellgesetz. Geschärft werden müsse das Instrumentarium der Wettbewerbshüter. Sie sollten die nötigen Mittel erhalten, um mit unmittelbaren Sanktionen gegen wettbewerbswidrige Praktiken vorgehen zu können. Die OECD unterstützt damit Bestrebungen der Wettbewerbskommission. (APA)