Moskaus neu vereinbarte Partnerschaft mit der Nato hat in China Überraschung und Irritation ausgelöst. Der russische Verteidigungs- minister Sergei Ivanow macht deshalb noch vor seinem Antrittsbesuch in Brüssel, wo er nächste Woche an der Eröffnungssitzung mit dem Nato-Rat teilnehmen wird, am heutigen Freitag zuerst einen Abstecher nach Peking. Im Auftrag von Präsident Wladimir Putin will er Chinas Führung informieren, was in Moskau und in Rom ausgehandelt wurde.

"Ivanow wird bis Sonntag in Peking sein. Er will Befürchtungen zerstreuen, dass sich die neue Nähe Moskaus zu den USA und der Nato auf seine strategische Partnerschaft mit China nachteilig auswirkt." Sie schmälere auch nicht die Bedeutung der neuen regionalen Sicherheitsorganisation "Schanghaier Vereinigung", die von China und Russland und vier Staaten Zentralasiens gegründet wurde, berichteten informierte russische Beobachter. Ivanow will seinen Amtskollegen Chi Haotian in Peking, Premier Zhu Rongji und vor allem Staats- und Parteichef Jiang Zemin treffen. Kurz danach wird Jiang zu einem Gipfeltreffen der "Schanghai Vereinigung" am 7. Juni nach St. Petersburg fahren. Auch dieses Treffen wird von Fragen zum neuen Verhältnis Moskaus und der Nato überschattet werden.

Peking in Erklärungsnot

Die Pekinger Führung ist durch die römischen Vereinbarungen in spürbare Erklärungsnot gegenüber der Öffentlichkeit geraten. Chinas Propaganda hatte einst eine Partnerschaft Russlands und der Nato kategorisch als ausgeschlossen bezeichnet. Das Pekinger Außenministerium nahm sich nun zwei Tage Bedenkzeit, bevor es am Donnerstag die neue Entwicklung vorsichtig als eine innereuropäische Angelegenheit begrüßte: Peking nehme den in Rom erzielten "Durchbruch für eine neue Partnerschaft" und den "neuen Wandel für die Lage Europas" zur Kenntnis. Es hoffe, dass dies der Bewahrung von Frieden und Stabilität Europas nutzt und zu einem "neuen Sicherheitskonzept führt, das von gegenseitigem Vertrauen, Nutzen, Gleichberechtigung und Zusammenarbeit geprägt ist".

Skepsis spiegelte sich in den offiziellen Medien, dass China mit seinen besonderen Problemen mit den USA in der neuen Entwicklung isoliert werden könnte. Die Militärzeitschrift Chinas Landesverteidigung fragte: "Halten die russisch-chinesischen Flitterwochen so lange wie Himmel und Erde?" Die China Times glaubt bei Fragen wie Nato-Osterweiterung oder Raketenabwehrschild (MD) könnte es keinerlei Übereinstimmung geben und titelte: "Russland und die Nato tanzen einen (kurzlebigen) Baströckchentanz". In der China Economic Times wurde behauptet, dass die strategischen Absichten der USA im Mittleren Osten und Zentralasien und die Nato-Osterweiterung Hand in Hand gingen und die Nato diesem Ziel diene. Die USA hätten ihren militärischen Fuß schon in Zentralasien, haben Soldaten in Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan stationiert und mache sich diese Staaten über Finanzhilfen gefällig. "Das Eindringen der USA nach Zentralasien ist wichtiger Teil ihrer Gesamtstrategie, um Russland kleinzukriegen, China zu isolieren und die globale Vorherrschaft der USA zu sichern."

(DER STANDARD, Printausgabe, 31.5.2002)