Genau in zwei Wochen wird in Tschechien ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Der nationale Urnengang wird nicht nur für die Sozialdemokraten (CSSD), die in den vergangenen vier Jahren die Regierung stellten, eine wichtige Bewährungsprobe.

Mit Ausnahme der Kommunisten steht auch für die übrigen Oppositionsparteien viel auf dem Spiel: Die rechtsliberale Demokratische Bürgerpartei ODS drängt nach vier Jahren wieder an die Regierungsmacht, und ihr Vorsitzender, Parlamentspräsident Václav Klaus (61), gibt schon seit Wochen zu erkennen, dass er es noch einmal wissen will. Sollte seine Partei diesmal am selbst gesteckten Ziel, Nummer eins zu werden, scheitern, ist selbst ein Abgang vom bisher unantastbaren ODS-Gründervater Klaus nicht ausgeschlossen.

"Koalition" geschwächt

Eine ganz andere Ausgangslage hat hingegen das Parteienbündnis aus liberaler Freiheitsunion und Christdemokraten, die so genannte Koalition. Die ursprünglich aus vier kleineren Mitte-rechts-Parteien bestehende Allianz führte noch bis vor einem halben Jahr alle Umfragen an. Dann geriet sie jedoch wegen der Schulden einer der beteiligten Parteien ins Strudeln, schrumpfte auf einen Block von zwei Parteien zusammen und verlor viel an Ansehen.

Der jetzige Wahlkampf, obwohl aufwändiger als vor vier Jahren, hat kein wirkliches Thema. Die meisten Parteien beschränken sich in ihren Grundaussagen auf Allgemeinplätze, wie etwa "Gleiche Chancen für alle" (Sozialdemokraten) oder "Mit uns kommt das Gesetz" (Koalition). Lediglich die ODS konnte eine Zeit lang mit der Forderung nach einer Flat Tax in Höhe von 15 Prozent die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Markant ist jedoch der Versuch aller, die Wähler mit eher unpolitischen Mitteln anzulocken. So veranstalten etwa die Sozialdemokraten gegenwärtig im ganzen Land so genannte "Megapartys" (O-Ton CSSD), auf welchen zahlreiche beliebte Künstler auftreten. Laut offiziellen Angaben lassen sich die Sozialdemokraten, die ODS, die Koalition sowie die Kommunisten die Wahlkampagne etwa 250 Millionen Kronen (8,3 Millionen Euro) kosten.

Umschwung

Die Chancen, dass neben den bereits erwähnten großen vier eine fünfte Partei die Fünfprozenthürde überwinden könnte, halten die tschechischen Wahlforscher für ausgeschlossen, obwohl sie in den letzten Wochen mit kategorischen Aussagen vorsichtiger geworden sind. Der Grund dafür ist die große Aufholjagd der Sozialdemokraten gegenüber der lange Zeit führenden ODS. So sprechen etwa einige Institute bereits von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CSSD und ODS. Für den Umschwung wird vor allem die verbesserte Wirtschaftslage und die relativ gute Stimmung in Land angeführt, die der jetzigen Regierung zugute kommen.

Besonders markant zeigt sich diese Entwicklung in Prag, wo die CSSD zwar immer noch sechs Prozentpunkte hinter der ODS liegt, aber trotzdem viel Boden gutgemacht hat. Die Hauptstadt galt bisher stets als sichere Bastion der Klaus-Partei, was schon vor Jahren einen unterlegenen sozialdemokratischen Bewerber zur Aussage verleitete, dass es in Prag auch dann für einen Sieg der ODS reichen würde, wenn Klaus' Tennisschläger kandidieren würde.

Kasl-Rücktritt

Zudem hat die ODS wenige Tage vor der Wahl ausgerechnet in Prag eine empfindliche Niederlage einstecken müssen. Dort legte am Mittwoch Oberbürgermeister Jan Kasl sein Amt nieder und gab gleichzeitig auch das ODS-Parteibuch zurück. Als Grund gab er die geringe Bereitschaft der ODS-Fraktion im Stadtrat an, sich am Kampf gegen die Korruption zu beteiligen und einer Prüfung aller durch die Stadt vergebenen öffentlichen Aufträge zuzustimmen. Diese Krise könnte laut Meinungsforschern nicht nur Folgen für die Geschlossenheit der ODS-Anhängerschaft haben, sondern auch noch unentschlossene Wähler beeinflussen, die in der Vergangenheit dazu neigten, im letzten Augenblick Klaus ihre Stimme zu geben.

(DER STANDARD, Printausgabe, 31.5.2002)