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Dass es Sommer wird, merkt man in Österrreich nicht nur an wärmeren Temperaturen, einem Zuwachs an Sonnenstunden und sonstigen einschlägigen meteorologischen Phänomenen. Nein, man erkennt es auch daran, dass drei ausgewählt musikalische Mitglieder der Bundesregierung (und der Volkspartei) - die Frau Unterrichtsminster, der Herr Landwirtschaftsminister und der Herr Bundeskanzler himself - alle Jahre wieder die Flöte, die Gitarre und die Quetschen auspacken und damit beginnen, dem österreichischen Volk allerlei sangliche Preziosen aus dem heimischen Volksliedgut vorzuschrammeln: Oh du lieber Augustin, alles ist hin! Man müsste schon eine exorbitant naive Haut sein, wollte man diese wunderlichen Auftritte als Manifestationen eines musikalischen Ausdruckwillens nehmen und nicht als das, was sie in Wahrheit natürlich sind: Als Politik. Aber im avancierten Medienzeitalter hat es die Politik nun einmal so an sich, dass sie manchmal in grotesken Maskeraden auftritt, und wenn es darum geht, ein paar Sendemomente im Fernsehen zu erhaschen, dann sind Politiker noch zu weit bizarreren Verrenkungen imstande als zu dem vergleichsweise harmlosen musikalischen Unfug, den die Gehrer-Molterer-Schüssel-Band zum besten gibt. In Deutschland ließ sich Norbert Blüm schon einmal beim Sackhüpfen ablichten, und ausgerechnet der notorisch hölzerne Rudolf Scharping rieb sich im Bundeswahlkampf 1994 in einer Disco an jugendlichen Techno-Tänzern. Eine der wichtigsten Regeln lautet jedenfalls: "Wer mit Medien nicht umgehen kann, ist heutzutage für ein politisches Amt ungefähr so geeignet wie ein Nichtschwimmer als Bademeister." Meinen die Autoren Elisabeth Niejahr und Rainer Pörtner, zwei deutsche politische Journalisten der mittleren Generation, die in ihrem Buch Joschka Fischers Pollenflug und andere Spiele der Macht ein kleines Kompendium politischer Techniken, Tricks und Lebensweisheiten vorgelegt haben. Auch der rätselhafte Titel bezieht sich übrigens auf ein Phänomen aus dem komplizierten Bereich politisch-medialen Zusammenwirkens: Der deutsche Außenminister, ein veritables Mediengenie, war zu seiner Bonner Zeit dafür bekannt, dass er, wie das emsige Bienchen von Blume zu Blume, regelmäßig von einer Redaktion zur andern zog, um dort die jeweilige Stimmung wahrzunehmen und in seine politische Arbeit zu integrieren - mit blendendem Erfolg übrigens. Denn immer, wenn er Deutungen und Neuigkeiten, die er in den Redaktionen erfahren hatte, in seine Bundestagsreden aufnahm, schrieben "die Journalisten einmal mehr, dass der grüne Fraktionsvorsitzende genau die Stimmung getroffen habe." Unter dem etwas marktschreierischen Untertitel Wie Politik wirklich funktioniert untersuchen Niejahr und Pörtner punktgenau zum deutschen Wahljahr 2002 unterschiedliche Bereiche politischen Wirkens: Wie steigt man in Geschäft ein, wie tritt man am würdigsten zurück? Wie verschafft man sich Unterstützung? Wie geht man mit parteiinterner und -externer Gegnerschaft um? Niehaus und Pörtner haben hier einen ganz eindeutigen Ratschlag parat: Den Gegner zu umarmen und zu integrieren ist allemal die bessere Lösung als der öffentliche Angriff oder die Kabale. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hat diese Technik, wie schon sein Vorgänger Helmut Kohl, ausgiebig angewendet, indem er etwa Rita Süßmuth (CDU) Konzepte für die Ausländer-und Zuwanderungspolitik entwickeln ließ oder Otto Graf Lambsdorff (FDP) aussandte, um die schwierigen Verhandlungen über die Entschädigungen ehemaliger Zwangsarbeiter zu führen. Auch bei der Erörterung der Frage, was man braucht, um ganz an die Spitze vorzustoßen, sind die Autoren eindeutig: den Willen zur Macht, und zwar zu hundert Prozent. "Viele Politiker haben ein verkrampftes Verhältnis zur Macht. Sie wollen ihr zwar nahe sein, irgendwie an ihr teilhaben. Aber auch nicht so richtig, jedenfalls nicht mit aller Konsequenz." Ohne die deutlich empfundene und auch gezeigte Lust am Herrschen sind politischen Karrieren aber immer Grenzen gezogen. Ihre Beispiele haben Niejahr und Pörtner zum weit überwiegenden Teil dem deutschen Polituniversum entnommen, lediglich einige nach etwas undurchschaubaren Prinzipien gewählte Zusatzbeispiele aus den USA sind integriert. Rückschlüsse auf Österreich sind allerdings nicht nur möglich, sondern im Sinn eines gesteigerten Lesevergnügens auch zu empfehlen. (Von Christoph Winder - DER STANDARD, Album, 1.6.2002)