Heute, Montag, wird die ÖVP ein Signal an das für künftige Wahlen entscheidende junge städtische Publikum setzen: Sie wird in Wien Alfred Finz offiziell zum Parteichef vorschlagen. Es ist ein Signal dafür, dass sich Beharrlichkeit am Ende doch auszahlt. Der neue Mann kann auf eine jahrzehntelange Parteimitgliedschaft verweisen und auf große Erfahrung im Erbsenzählen - schließlich war er ein verdienter Beamter des Rechnungshofes, bevor es ihn in die Politik verschlagen hat.

Wenigstens ist der 58-Jährige noch nicht durch Tausende Sitzungen in Parteigremien verbraucht - aber das war Vorgänger Bernhard Görg auch nicht, als er vor zehn Jahren (damals erst 50 Jahre alt) an die Spitze der Stadtpartei kam.

Wie das Signal aufgenommen werden wird, daran werden Regimenter von Funktionären und Politikberatern zu kiefeln haben. Die Ausgangslage ist jedenfalls klar: Der verdiente ältere Herr tritt sein Amt in einer Stadt an, in der jeder vierte Jungwähler ernsthaft überlegt, Grün zu wählen, während nicht einmal jedem achten die ÖVP in den Sinn kommt.

Dabei ist auch den Parteistrategen der ÖVP klar, dass kommende Wahlauseinandersetzungen nicht nur entlang der Lagerlinien Schwarz-Blau versus Rot-Grün stattfinden werden. Wenn man es nur geschickt genug anstellte, wäre vielleicht der eine oder andere ökologisch motivierte Wähler zu gewinnen. Erhard Busek hat das vor einem Vierteljahrhundert bewiesen. Aber er war ja auch erst 35, als er die Wiener ÖVP übernommen hat.

Und die Ökologie war ein Thema, um das man damals zu streiten bereit war. Jetzt aber? Da beschließt die Regierung ein Grundsatzprogramm zur Nachhaltigkeit. Als die Grünen es bemerken, stellen sie den Umweltminister im Parlament. Der sagt, dass Ökosteuern vielleicht in ein paar Jahren ein Thema sein könnten - nicht aber bei der anstehenden Steuerreform. Die Grünen bedanken sich artig und gehen zum nächsten Thema über.

Statt auf die Ökopauke zu hauen, gibt sich Grünen-Parteichef Alexander Van der Bellen verbindlich: Obwohl das EU-Mitglied Finnland gerade den Bau eines neuen Atomkraftwerks angeht, sagt Van der Bellen im Radio, dass man nur innerhalb der EU etwas gegen Atomkraftwerke ausrichten könne - weshalb Tschechien mitsamt Temelín in die EU müsse. Und gleich auch mit den Benes-Dekreten. Mit der Zeit würde sich alles von selber lösen. Ein netter Standpunkt für einen Philosophen - aber etwas dürftig für einen Oppositionsführer.

Gut, dass es da eine andere Oppositionspartei gibt - die nach allen gängigen Umfragen überhaupt die stärkste Partei im Lande ist. Aber irgendwie gelingt es der Sozialdemokratie nicht, diese Poleposition glaubhaft zu machen und Führungskompetenz zu vermitteln. Vielmehr erinnert die SPÖ an die ÖVP der Siebzigerjahre: Da grämte sich das jeweilige Führungsteam über den Machtverlust und versuchte gleichzeitig, mit der neuen Zeit Schritt zu halten. So stolperte sie jeder Vorgabe der Regierung hinterher, woraufhin das Bild entstand, die ÖVP der Kreisky-Zeit wolle eigentlich dasselbe wie die Regierung, nur um 20 Prozent abgemildert und um zwei Jahre später.

Fragt man heute bei der SPÖ nach, welche Reform von Schwarz-Blau in den alten Stand zurückgeführt werden sollte, so gibt es keine grundlegenden Alternativen, sondern ein Bündel von Korrekturen - alles in allem nicht sehr sexy. Aber das kann ja noch werden bis zur Wahl.

Bis dahin kann die FPÖ weitgehend unwidersprochen behaupten, dass sie die Reformthemen vorgäbe. Obwohl auch sie in der Praxis aus dem Stolpern nicht herauskommt: Da setzt sie die immer als "unmöglich" bezeichnete Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern durch; und alles, was hängen bleibt, ist der erstaunliche Aufstieg des freiheitlichen Sozialsprechers.

All das gewürzt mit kleinlichem Streit. Willkommen, Sommerloch!

(DER STANDARD, Printausgabe, 3.6.2002)