Frankreich
Le Pen kündigt "ganze Reihe von Überraschungen" an
FN rechnet mit großem Erfolg bei Parlamentswahl - Balladur warnt bürgerliche Rechte vor "exzessiver Zuversicht"
Paris - Wenige Tage vor dem ersten Durchgang der
französischen Parlamentswahlen hat der Chef der rechtsextremen
"Nationalen Front" (FN), Jean-Marie Le Pen, eine "ganze Reihe von
Überraschungen" angekündigt. Le Pen, dem es bei der Präsidentenwahl
im April gelungen war, den Sozialisten Lionel Jospin knapp zu
überflügeln und damit in die Stichwahl gegen den neogaullistischen
Amtsinhaber Jacques Chirac zu kommen, zeigte sich am Sonntag
überzeugt, dass sich die FN-Kandidaten in annähernd 300 der 577
Wahlkreise für die zweite Runde am 16. Juni qualifizieren. Le Pen bezeichnete zugleich das Wahlsystem für die
Nationalversammlung als "antidemokratisch" und forderte die
Einführung des Verhältniswahlrechts. Im ersten Wahlgang kommenden
Sonntag ist gewählt, wer in seinem Wahlkreis die absolute Mehrheit
der abgegebenen gültigen Stimmen bekommt. In den übrigen Wahlkreisen
können alle Kandidaten, die die Stimmen von mindestens 12,5 Prozent
der eingeschriebenen Wähler erhalten haben, zum zweiten Wahlgang
antreten, bei dem dann die einfache Mehrheit ausreichend ist.
Nach den Resultaten der Präsidentenwahl hat die "Nationale Front"
in 237 Wahlkreisen gute Chancen, in die entscheidende zweite
Wahlrunde zu kommen. "Dreikämpfe" (so genannte "Triangulaires")
zwischen Kandidaten der Bürgerlichen, der Linken und der FN
begünstigen in der Regel die Linke. In maximal fünf Wahlbezirken wird
ein FN-Sieg im zweiten Durchgang für möglich gehalten.
Der neogaullistische Ex-Premier Edouard Balladur warnte
unterdessen die bürgerliche Rechte, die in den Meinungsumfragen
führt, vor jeder "exzessiven Zuversicht". "Nichts ist gesichert",
sagte Balladur. Der Zusammenschluss des gesamten bürgerlichen Lagers
in der neu gegründeten "Union für die Präsidentenmehrheit" (UMP) ist
am Widerstand der UDF-Zentrumsdemokraten unter Francois Bayrou
gescheitert. Premierminister Jean-Pierre Raffarin appellierte an die
Bürgerlichen, auf jeden Fall schon in der ersten Runde für die
offiziellen UMP-Kandidaten zu stimmen. Zugleich warnte er die
UMP-Kandidaten vor jeder Absprache mit der extremen Rechten. (APA)