Wirtschaft
Enttäuschung über Österreichs Nein zu EU-Forschungsprogramm
Spitzenforscher befürchtet nun Zurückhaltung der Investoren
Wien - "Österreichs Entscheidung, wegen ethischer Bedenken gegenüber der em_bryonalen Stammzellenforschung als einziges Land gegen die Verabschiedung des 6. EU-Rahmenprogramms zu
stimmen, war kein gutes Zeichen. Investoren werden nun
wohl vorsichtiger sein, Österreich als Standort für Biotechnologie auszuwählen:" Kurt
Zatloukal, Pathologe in Graz
und Mitglied der von der Regierung eingesetzten Bioethik-
Kommission, drückt aus, was
in der heimischen Forscherszene als Reaktion auf Österreichs Alleingang vorherrscht:
Unverständnis und Verärgerung. Er, so Zatloukal, könne
die Entscheidung jedenfalls
nicht nachvollziehen. Sie decke sich auch nicht mit der
Empfehlung der Bioethik-Kommission.Zatloukal steht damit in
Widerspruch zu Wissenschaftsministerin Elisabeth
Gehrer, die die Entscheidung
damit begründete, dass die
von der Bioethik-Kommission
für eine österreichische Zustimmung formulierten Einschränkungen im vorliegenden Entwurf zum Rahmenprogramm nicht berücksichtigt worden seien. Deshalb sei
eine generelle Zustimmung
nicht möglich gewesen.
Strategie
"Einschränkende Bedingungen zur Stammzellforschung, wie sie die Bioethik-
Kommission formuliert hat,
gibt es auch in Deutschland,
das nicht mit Nein gestimmt
hat. Sie widersprechen dem
Rahmenprogramm überhaupt
nicht", meint demgegenüber
Zatloukal. Es gehe um eine
Strategie, sich vorsichtig in
diesem Bereich voranzutasten. Jetzt die Tür irreversibel
zuzuschlagen sei keine verantwortungsvolle Reaktion.
"Die Junktimierung der
Stammzellenfrage mit dem
Programm war "nicht glücklich". In Brüssel entsteht jetzt
die Optik: Österreich ist wieder einmal dagegen, macht
sich auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl
Sorgen um Österreichs Image:
"Das spüren wir, bei den EU-
Stellen in Brüssel, bei unseren
Kooperationspartnern."
"Einfach unnötig
Als "einfach unnötig" qualifiziert auch Gerhard Riemer
von der Industriellenvereinigung die Entscheidung. Das
Programm wegen einer Detailfrage abzulehnen setze ein Signal, "dass nicht zu uns passt
und sachlich nicht gerechtfertigt ist". Die Regierung untergrabe damit ihre durchaus beachtliches Engagement in Sachen Forschung und Innovation. (Johannes Steiner, DER STANDARD, Printausgabe 5.6.2002)