Selten wurde ein Parteichef von seinem Stellvertreter derart vorgeführt wie der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle von seinem vermeintlichen Adlatus Jürgen Möllemann. Möllemann, ein Populist der reinen Sorte, verkündete im beginnenden deutschen Wahlkampf, dass prominente deutsche Juden am Antisemitismus schuld seien, und verweigert bis heute gegen den erklärten Willen der FDP-Mehrheit und ihres jugendlichen Vorsitzenden Westerwelle jede Entschuldigung für diesen Blödsinn. Irgendwie glaubt Möllemann, dass er durch seine rassistischen und antisemitischen Äußerungen Stimmen aus dem extremen rechten Eck der Bundesrepublik einsammeln könne. Dass der Mann damit den Ruf der einst liberalen FDP nachhaltig ruiniert, lässt ihn offensichtlich ziemlich kalt.

Tatsächlich, und das ist gut so, schießt Möllemann mit seinen Schwachheiten aber nicht nur sich und seinem hilflosen Parteivorsitzenden zielgenau ins Knie, er reduziert auch die Hoffnung der deutschen Liberalen auf ein passables Abschneiden bei der Bundestagswahl im Herbst. Denn wenn es - anders als in Österreich - ein ungeschriebenes Gesetz im deutschen Wahlkampf gibt, dann ist es die Absage an jede Form von Rassismus.

Möllemann, einst vom bayrischen Franz Josef Strauß als "Riesenstaatsmann" geschmäht, brach dieses Tabu vorsätzlich und steuert somit in eine ganz neue alte Richtung. Dass der windelweiche Westerwelle wegen ein paar lumpiger Rechtsaußenwähler bereit ist, den Grundkonsens der deutschen Demokratie aufzugeben, und Möllemanns Unsäglichkeiten duldet, lässt die Liberalen in einem verheerenden Licht erscheinen. Will die FDP weiterhin als liberal-bürgerliche Kraft gelten, wird sie sich von Möllemann, diesem Haider für Arme, trennen müssen, oder sie begibt sich vollends in Geiselhaft dieses Schwadroneurs. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 5.6.2002)