Belgrad - Der Belastungszeuge, der in den letzten zwei Tagen im Prozess gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal wiederholt die Aussage verweigert hatte, dürfte in den Leichentransport aus dem Kosovo nach Serbien verwickelt sein. Diesbezügliche Spekulationen serbischer Medien beruhen auf der Tatsache, dass sich der Zeuge, dem Akzent nach offenbar ein Kosovo-Serbe, vor dem Tribunal als Berufsfahrer ausgegeben hatte. Das serbische Innenministerium hatte im Mai des Vorjahres die Existenz mehrerer Massengräber in Serbien bekannt gegeben, in denen sich über 400 Leichen, vorwiegend Kosovo-Albaner, befinden dürften. Mindestens vier Massengräber waren auf den Polizeiübungsplätzen in einem Belgrader Vorort sowie unweit der ostserbischen Donau-Stadt Kladovo entdeckt worden. Nach inoffiziellen Angaben war die Polizei von der Existenz der Massengräber durch einen ehemaligen Spitzenbeamten des Belgrader Innenministeriums, Vlastimir Djordjevic, unterrichtet worden. Seit April des Vorjahres hält sich Djordjevic, der nach Medienberichten ebenfalls im Prozess gegen Milosevic aussagen soll, im Ausland auf. Nach bisherigem Erkenntnisstand waren über 70 Leichen von Kosovo-Albanern im April 1999 in einem unweit von Kladovo versenkten Kühlwagen entdeckt worden. Die Leichen sollten später auf dem Polizeiübungsplatz Batajnica bei Belgrad begraben werden. Der Kühlwagen wurde auf dem Polizeiübungsplatz bei Kladovo gesprengt. Unter den Leichen sollen sich auch die Opfer eines von serbischen Sicherheitskräften Ende März 1999 in der Ostkosovo-Stadt Suva Reka angerichteten Massakers befinden. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich bei dem Belastungszeugen um den Lenker dieses Kühlwagens handelt. Der Kühlwagen stammte dem Kennzeichen nach aus Prizren. Innenminister Dusan Mihajlovic hatte im Mai des Vorjahres erklärt, dass der Auftrag zur Beseitigung von Verbrechensspuren im Kosovo von Milosevic persönlich erteilt worden war. Er soll diesen Auftrag dem damaligen serbischen Innenminister Vlajko Stojiljkovic erteilt haben, dieser wiederum seinem Beamten Djordjevic. Stojiljkovic, der vom UNO-Tribunal selbst wegen Kriegsverbrechen im Kosovo angeklagt worden war, hatte im April Selbstmord begangen, nachdem das jugoslawische Parlament das Gesetz über die Auslieferung der Angeklagten an Den Haag beschlossen hatte. (APA)