Wien - Im heimischen Lehramtsstudium lerne man zu wenig, die berufliche Überlebensfähigkeit zu trainieren, sagt der Linzer Pädagogik-Professor Herbert Altrichter in einem STANDARD-Gespräch. Er hat gerade mit einer internationalen Forschergruppe eine Expertenbegutachtung der Lehrerbildung an der Uni Helsinki durchgeführt - was im Moment besonders spannend ist, weil Finnland aus der Lese-Studie PISA als Sieger hervorgegangen ist.

Die Unterschiede zu Österreich: Eine pädagogische Ausbildung - vom Kindergärtner bis zum Oberstufenlehrer - wird in Finnland an einer gemeinsamen Hochschule (und zwar in Modulen) angeboten. Weniger als die Hälfte der Bewerber darf studieren, weil die Plätze limitiert sind. Und obwohl der Lehrerjob nicht besser bezahlt wird, genießen Pädagogen hohes Prestige. Das Studium selbst ist berufs- und nicht - wie in Österreich - vorwiegend fachorientiert. "Man wird dort in erster Linie Lehrer und nicht Germanist", bringt es Altrichter auf den Punkt, aber ohne dass die Wissenschaftlichkeit zu kurz komme, wie er betont. Die Ausbildung wird regelmäßig von internationalen Experten evaluiert. Außerdem kümmern sich die Unis auch um die Lehrerfortbildung.

Das alles (bis auf die in Finnland praktizierte Gesamtschule) wäre auch in Österreich leicht umzusetzen, meint Altrichter. Hierzulande sollte aber nicht nur die Ausbildung, sondern auch die berufliche Eingangsphase reformiert werden. "Da muss etwas passieren."

Er fordert eine "Begleitung in den ersten Berufsjahren". Denn derzeit werfe man Anfänger einfach ins kalte Wasser. Motto: "Wer nicht ertrinkt, hat Glück gehabt." Besser wäre es, den Jungpädagogen in jeder Schule (zu Mentoren ausgebildete) "alte Hasen" zur Seite zu stellen. Das jetzige System habe fatale Folgen: Wer von Beginn an Einzelkämpfer sein muss, habe später kaum Interesse mehr an Teamorientierung.

(DER STANDARD, Printausgabe, 7.6.2002)