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aum war das Nulldefizit da, ist es auch schon wieder weg. Gemunkelt wurde darüber schon lange, nun hat Karl-Heinz Grasser die Katze aus dem Sack gelassen: Mit einem ausgeglichenen Budget wird heuer nichts. Die im vergangenen Jahr vorgezogenen Steuereinnahmen aufgrund der verschärften Zinspönale fehlen heuer im Budget, und die Konjunkturflaute schlägt sich in höheren Ausgaben für die Arbeitslosen- und Pensionsversicherung nieder. Übrig bleibt ein Defizit von drei bis vier Zehntelprozent vom Bruttoinlandsprodukt.
Wirklich überraschend kommt das wohl nur für jene, die sich von dem Schmäh blenden ließen, dass eine simple Null unter dem Strich tatsächlich ein saniertes Budget signalisiert. Immerhin muss man dem Finanzminister zugute halten, dass er nun eine Finanzpolitik fährt, die Verantwortung gegenüber der Konjunktur zeigt, und die flautebedingten Extraausgaben nicht mit weiteren Restriktionen beantwortet, die eine Erholung gefährden könnten. Ein bisschen Keynes hat wohl auch Karl-Heinz Grasser gelesen.
Seine Haltungsänderung zum Budget 2003 aber lässt sich nur mit einer vertieften Lektüre von FP-Parteibeschlüssen erklären: Ein bescheidenes Defizit könne er sich auch in diesem Jahr vorstellen, um damit eine Steuerreform zu finanzieren, denn von deren Notwendigkeit sei er "zutiefst überzeugt", tönt es nun aus Grassers Mund. Auch dem Umfragekaiser ist also das wärmende Parteihemd näher als der steife Rock eines zukunftsorientierten Sanierers. Es gebe wahrlich gute Zukunftsinvestitionen, etwa für Forschung und Ausbildung, für die es sich lohnte, ein paar Zehntelprozentpunkte Defizit in Kauf zu nehmen. Eine Steuerreform auf Pump tut es nicht. Aber auch in der Himmelpfortgasse sind die Uhren nun offenbar auf Wahlkampf umgestellt. (DER STANDARD, Printausgabe 7.6.2002)