New York/Frankfurt - Die Analysten von Merrill Lynch hatten es geahnt. Nur ein verhaltener Zwischenbericht der Intel Corp, Santa Clara, zum Geschäftsverlauf des zweiten Quartals sei zu erwarten, und die Titel des weltgrößten Chipherstellers würden deshalb heruntergestuft, hatten die Analysten am Donnerstag gesagt. Und so kam es dann auch. Mit dem Zwischenbericht unterschritt Intel Donnerstagabend nach Börsenschluss sogar diese pessimistischen Prognosen. Beim Umsatz erwartet Intel im zweiten Quartal nur noch 6,2 Mrd. bis 6,5 Mrd. Dollar (6,62 bis 6,94 Mrd. Euro) , nachdem zuvor 6,4 Mrd. bis 7,0 Mrd. Dollar veranschlagt worden waren. Nachbörslich brachen die Intel-Aktien um 10 Prozent auf 24,18 Dollar ein, und in der Folge gaben am Freitag in Europa die Technologie-Titel stark nach. Aggressive Progneosen Merrill Lynch hatte für das zweite Quartal einen Intel-Umsatz von 6,761 Mrd. Dollar in Ansatz gebracht. Schwerer als der geringere Umsatz wog für Marktbeobachter jedoch, dass Intel auch die Prognose für die Bruttomarge reduziert hat. Diese wird nun im zweiten Quartal auf 49 Prozent veranschlagt - "plus oder minus ein paar Punkte" -, statt zuvor prognostizierten 53 Prozent. Damit setzt sich laut Analysten der positive Trend bei der Margenentwicklung nicht fort. Noch im ersten Quartal hatte der Chiphersteller die Märkte positiv mit einer Bruttomarge von 53,6 Prozent überrascht und dabei die eigene Erwartung von 51 Prozent übertroffen. Auch für den Rest des Jahres sei eine Bruttomarge von 53 Prozent möglich, hatte Intel damals in Aussicht gestellt. Der Chief Financial Officer, Andy Bryant, sagte am Donnerstag, nach dem positiven Verlauf des ersten Quartals sei Intel wohl "etwas aggressiv" an die Erstellung der Prognosen für das Gesamtjahr gegangen. Den Ausblick für 2002 hat Intel bislang nicht nach unten angepasst. Im zweiten Halbjahr werde mit einer saisonal stärkeren Nachfrage gerechnet, und auch die Prognose für die Bruttomarge blieb zunächst bestehen. Dennoch sei es wahrscheinlich, dass Intel hier noch eine Anpassung nach unten "um ein Prozent oder so" vornehmen werde, sagte Bryant. Fallenden Chip-Preise Unter Druck gekommen ist die Marge von Intel nach Aussage von Bryant wegen der fallenden Preise für Chips. Im ersten Quartal habe das Unternehmen die starke Nachfrage der Kunden nicht bedienen können, so dass die Preise im Segment der weniger leistungsfähigen Chips relativ hoch gewesen seien. Im zweiten Quartal habe Intel besser auf die Kundennachfragen reagieren können, mit dem Ergebnis, dass auch die Preis gefallen seien. Vor allem in Europa sei die Nachfrage zudem geringer als erwartet gewesen. Der unter den Markterwartungen liegende Geschäftsverlauf bei Intel steht im scharfen Kontrast zu dem bei der National Semiconductor Corp, Santa Clara. Der Hersteller von analogen Chips hatte ebenfalls am Donnerstag Viertquartalszahlen (26. Mai) vorgelegt und beim Umsatz und Gewinn je Aktie die Konsensprognosen der Analysten deutlich übertroffen. Die Halbleiterindustrie werde nicht mehr von Intel oder der PC-Industrie angeführt, kommentierte der CEO von National Semiconductor, Brian Halla. Intel befinde sich derzeit in einer Nische, in der das Wachstum weniger deutlich ausfalle. Mikroprozessoren nur mit leichtem Plus Nach der Prognose der Semiconductor Industry Association wird der Umsatz mit analogen Chips, die beispielsweise in Mobiltelefonen zur Anwendung kommen, im kommenden Jahr um 25 bis 30 Prozent zulegen, während bei den Mikroprozessoren, wie Intel sie herstellt, nur mit einem Umsatzplus von zwölf Prozent zu rechnen ist. An den Börsen dürfte der verhaltene Ausblick von Intel mit Enttäuschung aufgenommen werden. Im nachbörslichen Handel an Wall Street kamen am Donnerstag bereits die Technologiewerte unter Druck. Intel selbst fielen nachbörslich um zehn Prozent auf 24,29 Dollar, nachdem die Titel im regulären Handel wegen der Warnung von Merrill Lynch bereits 4,2 Prozent verloren hatten. "Der Alptraum geht weiter" "Der Alptraum geht weiter", sagte ein Händler, noch ehe am Freitag auf den europäischen Aktienmärkte die Kursverluste praktisch aller Technologiewerte einsetzten: Nokia sanken bis nach 10 Uhr MESZ um 5,1 Prozent auf ein 3-Jahres-Tief von 13,44 Euro. Ericsson gaben um 5,5 Prozent auf ein 5-Jahres-Tief von 19,10 Kronen nach. Infineon gaben bis dahin um 6,6 Prozent auf 16,18 Euro nach. Richard Windsor von Nomura sieht die Auswirkungen auf die Telekom-Hersteller als vornehmlich emotional. Verstärkt würden sie durch den Fokus von Intel auf Europa als Region mit schwacher Nachfrage. Die Hoffnungen auf eine deutliche Erholung im 2. Halbjahr lassen nun nach. Auch sinke die Aussicht, dass Nokia sich bei dem Update zum 2. Quartal am Dienstag optimistisch zeigen werde. (APA/vwd)