Kaum eine schicke Loft-Wohnung über den Dächern von Paris scheint auf ihn verzichten zu können. Die Supermärkte hoch im französischen Norden bieten den knorrigen Gesellen mit den silbrigen Blättern zum Sonderpreis feil. Und in den beliebten Radio-Sendungen für Millionen Hobby-Gärtner häufen sich die Ratschläge, wie man den Olivenbaum in kühlen Landen durchbringt. Der "Olivier", mediterranes Symbol des Friedens und der Langlebigkeit, ist zum modischen Zubehör des modernen Lebens geworden. Auf der Ile-de-France, dem Großraum der Hauptstadt Paris, ragen ihre oftmals bizarr verdrehten Stämme in den Himmel. Mit der Renaissance des Olivenöls selbst in den besten Küchen Frankreichs und dem ungeheuren Erfolg von exquisit ausgestatteten Büchern über den uralten Kulturbaum des Mittelmeeres wuchs der Hang zum Olivenbaum. In seiner edlen Ladenkette "Olivier & Co." erklärt Olivier Baussan, der "Entdecker" der besten Olivenöle, die feinsten Qualitätsunterschiede seiner Produkte aus Israel, Griechenland, Frankreich oder Spanien. Alles, jederzeit, überall, sofort, ... Ein feines Olivenöl am Fisch oder im Nizza-Salat ist für den Schriftsteller Yves Gerbal allerdings etwas ganz Anderes als ein mit Gewalt verpflanzter Baum. "Das ganze Jahr über Erdbeeren essen, mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV von Paris nach Marseille in nur drei Stunden fahren, ohne Schnee Ski fahren, sich ohne Sonne bräunen und ohne Büro arbeiten", so lebe eine Gesellschaft, die keine Distanzen, Grenzen oder saisonale Unterschiede mehr kenne: "Warum soll dann also nicht auch ein Olivier in meinem Garten in Cotentin in der Normandie stehen?" Der Autor sieht den Olivenbaum praktisch als ein Opfer des "Weltkonsumenten" an. "Er will alles jederzeit, überall und sofort." Hohe- und Wiegenlieder für den Olivenbaum Ein Hohelied auf den "Olivier" haben 20 internationale Fotografen komponiert, die auf der Suche nach erstklassigen Motiven mediterrane Olivenhaine durchkämmt haben. Ihre Ausstellung "Der Olivenbaum, das Geschenk des Mittelmeeres" ist nach einer ersten Station im Pariser Institut du monde arabe im südfranzösischen Marseille zu sehen. Sie zeigt ohne Worte, dafür mit ausdrucksstarken Bildern, wie tief der Baum in der Mittelmeer-Kultur verwurzelt ist: In jeder Region kennt man einen Uraltbaum und glaubt, dort sei die Wiege des Oliviers. (apa/red)