Wien - Was hören wir, wenn wir Musik hören? Oder: Ist es möglich, dass Musik lügt? Man stelle sich solche Fragen als mit dem dezenten Charme britischer BBC-Moderatoren gestellt vor - und schon hat man eine gute Vorstellung von The Noise of Time , einer Hommage an Dmitri Schostakowitsch, die auf Wunsch und Betreiben des Emerson String Quartet entstand und in diversen Bildungsprogrammen auf DVD und Video tatsächlich Sinn machen dürfte.

Aber ist dies wirklich die vom Festwochen-Katalog angekündigte "bewegende theatralische Meditation"? Der britische Regisseur Simon McBurney (berühmt geworden durch das Théâtre de Complicité) liefert doch eher nur eine schicke, leicht konsumierbare Montage aus angedeutetem Tanztheater sowie Video- und Textzitaten, mit denen man zum Beispiel auch Stephen Hawkings Physik-Einführungsunterricht untermalen könnte. Das heißt:

Zuerst Schnelldurchlauf durch Leben und Werk eines von den Zeitläuften förmlich überrollten Künstlers, der einerseits Stalins Sowjetunion im Ausland bewerben darf, andererseits ebendort oft zensuriert wird. Dazu Bilder wie das eines Pianisten in einem brennenden Kino. Oder: Gagarin, der im (unendlichen!) Weltraum Schostakowitsch zitiert. Oder: Der Komponist, der am Ende mit Freunden nur noch im Schweigen den Lärm der Zeit vergegenwärtigt. Und vor diesen Folien spielt dann am Ende das Emerson String Quartet Schostakowitschs Alterswerk: das 15. Streichquartett. "Spielen" heißt da dann auch: Bedeutung verengen. Im Sinne der Autobiografie wiedergeben und auch "szenisch" umsetzen.

Worauf man, bei aller Klarheit des Vortrags, gerne verzichtet hätte. Wenn etwa zu elegischen Passagen ein Darsteller ein Schweißtüchlein zur Stirn führt, ist die Parodie von Monty Python's ("decomposing composers") nicht fern. Junge Menschen mag man so zur Musik führen. Falls sie geführt werden wollen. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2002)