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Foto: APA/dpa/ Frank May
Man könnte ihn für einen smarten Rechtsanwalt halten, wenn er hochkonzentriert und stolz auftritt - für die Sache der Kunst. Okwui Enwezor führt sein Äußeres dandyesk als Trademark, mit schicken Anzügen, coolem Schuhwerk und Halstüchern. Klassik mit einem Twist, so mutet auch seine Künstlerauswahl für die Documenta 11 an, mit deren Leitung er als erster Nichteuropäer in der Geschichte dieser wohl bedeutendsten Kunstschau betraut wurde.

Der 1963 in Nigeria geborene künstlerische Leiter vertritt auch erstmals den Anspruch, in Kassel eine globale Kunst zu zeigen - von der West-Kunst zur Welt-Kunst also. Allerdings leben fast alle vertretenen Nichtwestler in westlichen Kunstzentren.

In das Kunstbusiness ist der studierte Politologe, der seinen Lebensmittelpunkt in New York hält, eher zufällig hineingeraten, über befreundete Künstler. Seinen beruflichen Weg bestritt der verheiratete Vater eines Kindes zunächst als Lyriker und Kritiker. Über diese Schiene gelang ihm sein einflussreichster Coup, die Gründung und Herausgabe der seit 1993 halbjährlich erscheinenden Zeitschrift "Nka - Journal of Contemporary Art", weltweit das wichtigste Medium für zeitgenössische afroamerikanische Künstler.

Enwezors Kuratorentätigkeit, zuletzt und mit großer öffentlicher Beachtung 1997 bei der Biennale Johannesburg, dürfte die Documenta-Juroren schlussendlich überzeugt haben. Hier bedachte der Intellektuelle, der die Dinge nüchtern-pragmatisch angeht und für eine fast trotzige Kompromisslosigkeit in politischen wie ökonomischen Fragen steht, vor allem die neueren Medien Film, Fotografie, Video und Computerkunst. Es dominiert dokumentarische Fotografie mit politischem Hintergrund. In die Documenta-Vorbereitungszeit fiel auch die historische Aufarbeitung des modernen Afrika - und damit auch seiner ganz persönlichen Geschichte - "The Short Century" in der Münchener Villa Stuck.

Kunst ist für Enwezor immer mit dem Politischen verbunden, wofür ihm manchmal seine strikte, weil voraussehbare Political Correctness auch zum Vorwurf gemacht wurde. Wie ernsthaft sich Enwezor und sein internationales Team der Sache widmeten, zeigen auch die Vorbereitungen zu den 100 Tagen in Kassel. "Seine" Documenta begann eineinhalb Jahre vor dem tatsächlichen Start, in fünf Städten der Welt, wo Fachleute - etwa Boris Groys, Chantal Mouffe oder Homi Bhabha - und Kunstschaffende sich interdisziplinär über aktuelle Fragen der Welt, etwa über Demokratie als unvollendeter Prozess, Creolité und Vermischung oder die neuen Mega-Citys Afrikas unterhielten. Nicht umsonst spricht Enwezor nicht nur von einer Kunst-, sondern auch von einer Wissensproduktion. (Doris Krumpl /DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2002)