Österreich
FBI: Millionenbetrüger Weiss aus Österreich an USA ausgeliefert
In Abwesenheit zu 845 Jahren Haft verurteilt - Sein Anwalt ortet "Bruch innerstaatlichen Rechts und des Völkerrechts"
Wien - In einer "Nacht- und Nebelaktion" hat am frühen
Sonntagmorgen der Rechtsstreit um die Auslieferung des
US-Großbetrügers Sholam Weiss sein faktisches Ende gefunden: Der
48-jährige frühere Klomuschelfabrikant, der in seiner Heimat in
Abwesenheit zu 845 Jahren Haft verurteilt worden ist, nachdem er mit
gefälschten Schecks eine Versicherungsgesellschaft gekauft und danach
die Konten tausender Pensionisten in Florida geplündert hatte, ist in
einem Arrestantenwagen von der Justizanstalt Wien-Josefstadt zum
Flughafen Schwechat gebracht und dann mit einem Privatjet nach
Florida geflogen.Abschiebung trotz offener rechtlicher Fragen
Sein Wiener Anwalt Michael Winischhofer, der mit dem Hinweis auf
die Europäische Menschenrechtskonvention die Auslieferung bis zuletzt
bekämpft hatte, bezeichnete die Vorgänge als
"glatten Bruch innerstaatlichen Rechts und des Völkerrechts". Weiss
sei trotz offener rechtlichen Fragen abgeschoben worden. "Ich habe
zur Kenntnis genommen, dass sich Österreich aus politischer
Opportunität über die Bestimmungen eines Rechtsstaats hinwegsetzt",
meinte Winischhofer am Montag.
Schaden von 538 Millionen Euro
Weiss, dem die US-Behörden einen Gesamtschaden von umgerechnet 538
Millionen Euro ankreiden, hatte sich vor seiner Verurteilung nach
Europa abgesetzt. Im Oktober 2000 konnte er in Wien festgenommen
worden. Seither beschäftigten sich hier die Gerichte mit dem
Ansuchen, den vom FBI als "most wanted" geführten Flüchtigen
auszuliefern. Nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
korrigierte das Wiener Oberlandesgericht seine frühere Rechtsansicht
und erklärte die Auslieferung vor knapp vier Wochen für zulässig.
Regierung um Stellungnahme gebeten
Winischhofer und sein Kollege Manfred Ainedter, der in dem Fall
für die strafrechtliche Komponente zuständig war, liefen dagegen
Sturm. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wurde angerufen, der
Europäische Menschenrechtsausschuss ersuchte die österreichische
Bundesregierung, eine Stellungnahme über die "Aufrechterhaltung der
Maßnahme" abzugeben, da im Fall einer Abschiebung "irreparable
Rechtsverletzungen" drohen könnten. Laut Winischhofer stehen Weiss in
den USA nämlich keinerlei Rechtsmittel mehr zur Verfügung.
Winischhofer wollte den endgültigen Abschiebebescheid des
Justizministeriums auch noch vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH)
überprüft sehen, eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VFGH)
über einen so genannten negativen Kompetenzkonflikt hätte er auch
noch erwartet: Dass Weiss vor der Klärung all dieser Rechtsfragen
außer Landes geschafft wurde, nennt Winischhofer "völlig
unakzeptabel".
"Täuschung"
Nach Informationen von Winischhofer, der von der Verbringung
seines Mandanten erst am Sonntagnachmittag erfahren hatte, soll der
herzkranke Weiss mit der Vorgabe, er werde zum Arzt gebracht, in
seiner Zelle geweckt worden sein. US-Beamte hätten ihn dann in einen
Privatjet gesetzt. "Das ist alles völlig geheim abgelaufen. Jetzt
befindet sich Herr Weiss im County Jail in Orlando und wird den Rest
seines Lebens hinter Gittern verbringen", so Winischhofer.
Vorzeitige Entlassung auszuschließen
Die rechtlichen Möglichkeiten in den USA wären "theoretischer
Natur", erklärte der Anwalt: "Weiss hat keine Chance auf Einräumung
einer Berufung." Auch eine vorzeitige Entlassung ist im
gegenständlichen Fall auszuschließen: Seit 1987 steht Häftlingen nach
US-Bundesrecht bei guter Führung pro verhängtem Jahr ein
Strafnachlass von 54 Tagen zu. (APA)