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Überlastete Gerichte, teure Prozesse, zerstörte Beziehungen: Der klassische Rechtsstreit, bei dem Bürger A Vater Staat gegen Bürger B zu Hilfe ruft, ist in vieler Hinsicht eine Belastung. Billiger wäre es, einfach miteinander zu reden. Doch manchmal braucht es einen Dritten, der die Streithähne überhaupt wieder zum Reden bringt. Einer, der das gelernt hat, ist der Mediator. Sein Geschäft ist nichts völlig Neues, doch "Mediation" ist so etwas wie ein Modewort geworden. Dabei kennen zumindest Juristen die Mediation unter dem Namen Schlichtung schon lange. Sie hat in vielen Teilen der Welt als Alternative zur Streitentscheidung durch staatliche Gerichte oder Schiedsgerichte eine lange Tradition. Ihr Prinzip lautet: Niemand soll sein Gesicht verlieren, denn man muss ja weiter miteinander auskommen. Außergerichtliche Konfliktlösung Die Mediation bietet sich daher in einer Vielzahl von Lebensbereichen zur außergerichtlichen Konfliktlösung an: - In der Wirtschaft bei gestörten Geschäftsbeziehungen, nach Fusionen, bei Mobbing. - Bei Großprojekten zur Konsultation von Anliegern oder Umweltschützern. - Am Bau, wenn über lange Mängellisten gestritten wird. - Zwischen Nachbarn, die sich übereinander ärgern oder in der Gemeinschaft von Wohnungseigentümern. - In der Schule bei Konflikten zwischen Eltern und Lehrern oder gar zwischen Lehrern und Schülern. - In der Familie bei Trennung und Scheidung oder beim Streit zwischen Eltern und pubertierenden Kindern. Die Mediation ist so etwas wie eine moderierte Verhandlung zwischen den Streitparteien. Der Mediator versucht, sie zu einer für beide akzeptablen Einigung zu bringen. Anders als der Richter oder der Schiedsrichter trifft der Mediator oder Schlichter keine abschließende Entscheidung: Entweder er unterstützt die Parteien ganz ohne eigene Beurteilung oder er gibt ihnen unverbindlich Rat. Mediation und Rechtsberatung schließen sich dabei nicht aus. Es kann sogar von Vorteil sein, wenn die Parteien - mit Hilfe ihrer Anwälte - erst einmal ihre rechtlichen Positionen ausloten. Dadurch können sie nämlich besser abschätzen, wie weit sie später im Rahmen der Schlichtung auf den anderen zugehen können: Überrumpelt oder übervorteilt darf sich im Rückblick niemand fühlen. Gesetzliche Regelungen gibt es derzeit nur im Familienrecht. Seit Ende 2001 liegt aber der Entwurf für ein Gesetz über "gerichtsnahe Mediation" vor. Er regelt die Berufsausübung von Mediatoren, die sich in Fällen betätigen wollen, die auch in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fallen. Die EU-Kommission präsentierte ihrerseits im April ein Grünbuch über alternative Verfahren zur Streitbeilegung im Zivil- und Handelsrecht. Es gilt als erster Schritt zu einer EU-weiten Regelung. (Jörg Wojahn/DER STANDARD, Printausgabe, 11.6.2002)