Richter an Zivilgerichten können ein Lied davon singen: Bauprozesse sind unerträglich langwierig. Bei größeren Projekten füllen oft bis zu hundert Rügen einzelner Mängel die Akten. Jeder rostige Nagel wird dokumentiert und viele Fachbegriffe von der Baustelle tummeln sich im Text. Also müssen teure Gutachter her - und das bei ohnehin meist hohen Streitwerten.Mitgliedern von unabhängigen Verwaltungssenaten geht es in manchen Fällen ähnlich. Nämlich bei Verfahren um Großprojekte wie Flughäfen, Bahnstrecken, Deponien oder Müllverbrennungsanlagen. Hier streiten zuweilen Dutzende von Bürgern gegen den Staat. Bürgerbeteiligung In beiden Bereichen - beim Bau im kleinen und beim Bau im großen Stil - liegt eine Stärke von Mediationsverfahren. Die öffentliche Hand hat erkannt: Der Bürger will nicht mehr einfach "überfahren" werden. Wenn bei Großprojekten der Umweltschutz ins Spiel kommt, greift man daher mittlerweile gerne auf die Mediation zurück. Bekannte Beispiele sind der zweigleisige Bahnausbau im Gasteiner Tal und die geplante neue Startbahn am Flughafen Wien-Schwechat, für die das Mediationsverfahren nun bis Mitte November verlängert wurde. Wenn dies die Staatskasse entlastet, so können sich private Bauträger mittels Mediation ebenfalls einiges ersparen. Denn so mancher Bauprozess entzündet sich nicht an Mängeln, sondern an Demütigungen. Der Ton am Bau ist nun einmal rau. Die Wiener Mediatorin Andrea Komarek erläutert: "Konflikte entstehen zum Beispiel, wenn die berufliche Kompetenz des Partners angezweifelt wird. Gerade Architekten treten manchmal recht herablassend gegenüber Handwerkern auf." So werden dann Baustellen blockiert. Im Baugeschäft herrschen überhaupt Drohgebärden vor, wenn etwas schief läuft. Doch Drohungen lösen Gegendrohungen aus, und wenn der Gerichtsprozess beginnt, erlahmt der Arbeitsprozess. Das ist gerade bei größeren Unternehmen extrem unwirtschaftlich. Denn sie arbeiten mit ihren Streitgegnern oft zugleich an einer Mehrzahl von Bauprojekten. Nicht selten hemmt der Krach um Baustelle A dann auch die Arbeit auf den Baustellen B, C und D. Und diese "indirekten" Ausfälle lassen sich in weiteren Gerichtsverfahren so gut wie nicht mehr hereinholen. Den Männern vom Bau mit ihrem Sinn fürs Praktische sollte es also um so attraktiver erscheinen, sich unter Aufsicht eines Schlichters an einen Tisch zu setzen als mit lauter Schwarzkitteln in den Gerichtssaal. (jwo/DER STANDARD, Printausgabe, 11.6.2002)