Berlin - Der CDU/CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber will die Zuwanderung zum Wahlkampfthema vor den deutschen Bundestagswahlen machen, falls Bundespräsident Johannes Rau das umstrittene Zuwanderungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung beurkunden und damit in Kraft setzen sollte. Stoiber sagte der Zeitung "Die Welt" (Dienstag-Ausgabe), falls Rau das Gesetz unterzeichne, werde die Union die Zuwanderung zum Wahlkampfthema machen. CDU und CSU würden dann "bei den Bürgerinnen und Bürgern um Zustimmung dafür werben, dass dieses Gesetz vom Tisch kommt". Stoiber sagte, die Union sei davon überzeugt, dass das Gesetz im Bundesrat nicht ordnungsgemäß zu Stande gekommen sei. Falls Rau das Gesetz unterschreiben sollte, werde es nicht nur eine Klage der unionsgeführten Bundesländer beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geben, sondern das Thema werde dann auch "wieder in den Focus des öffentlichen Interesses rücken". Die Union wolle im Wahlkampf "wie bisher sehr sachlich und verantwortungsbewusst" mit dem Thema umgehen, sagte Stoiber. Bei einem Wahlsieg von CDU und CSU werde das rot-grüne Zuwanderungsgesetz unverzüglich wieder zurückgenommen. Kern des Streits Rau will am Dienstag mit dem Ministerpräsidenten und dem Innenminister von Brandenburg, Manfred Stolpe (SPD) und Jörg Schönbohm (CDU), über die umstrittene Bundesratsentscheidung zu dem Gesetz sprechen. Das Votum des von einer großen Koalition regierten Landes ist der Kern des Streits darüber, ob das vom Bundestag verabschiedete Gesetz im März auch in der Länderkammer rechtmäßig beschlossen wurde. Das Treffen im Bundespräsidialamt wird von den Beteiligten offiziell nicht bestätigt. Intern heißt es aber, Rau wolle über das Protokoll der Sitzung hinaus erfahren, ob es vor dem Votum Absprachen zwischen den Beteiligten gab. Aus Koalitionskreisen war am Montag erneut verlautet, es sei davon auszugehen, dass Rau das Gesetz unterschreiben werde. Präsidentensprecher Klaus Schrotthofer hatte am Wochenende Berichte, wonach eine Entscheidung für eine baldige Unterschrift gefallen sei, als Spekulation bezeichnet und betont, die Entscheidung sei weiter offen. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte berichtet, Rau könne sich bei der Unterschrift auf einen Präzedenzfall unter seinem Vorgänger Roman Herzog berufen, der ein strittiges Gesetz unterzeichnet und argumentiert habe, die Rechtmäßigkeit müsse nicht der Bundespräsident, sondern das Bundesverfassungsgericht klären. Rau hat angekündigt, seine Entscheidung zu begründen. "Verhandlungsbruch" Bei der Bundesratssitzung im März hatte Stolpe mit Ja und Schönbohm mit Nein gestimmt. Ein Land kann seine Stimmen nach dem Grundgesetz aber nur einheitlich abgeben. Nachdem Stolpe auf mehrfache Nachfrage sein "Ja" bekräftigt hatte, hatte Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) ihn als Stimmführer des Landes betrachtet und sein Votum als Zustimmung Brandenburgs gewertet, so dass das rot-grüne Gesetz die erforderliche Mehrheit erreichte. Die Union hatte daraufhin von einem Verfassungsbruch gesprochen und aus Protest den Saal verlassen. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", er sei überzeugt, dass das Gesetz pünktlich zum 1. Jänner 2003 in Kraft treten werde. "Auch eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht wird da nichts anderes ergeben." Der "Bild"-Zeitung sagte Struck, Unions-Fraktionschef Friedrich Merz müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Bürger mit Rau sehr zufrieden seien. "Merz und Co. wollen nicht akzeptieren, dass die höchsten Staatsämter nicht von der CDU gepachtet sind." Merz hatte erklärt, es müsse verhindert werden, dass der Bundespräsident zum "parteipolitischen Notar dieser Bundesregierung wird".(APA/AP/Reuters)