Inland
Regierung beschließt Nachtarbeitsgesetz
Nachtarbeitsverbot für Frauen aufgehoben - Kritik von Opposition und ÖGB - Wirtschaft zufrieden
Wien - Das neue Nachtarbeitsgesetz, das nun auch Frauen das
Arbeiten während der Nacht ermöglicht, ist am Dienstag von der
Regierung beschlossen worden. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) und
Vertreter der Wirtschaft hoben Verbesserungen hervor wie verstärkte
ärztliche Untersuchungen und die Möglichkeit des Wechsels auf
Tagesjobs für Eltern. SPÖ und ÖGB übten Kritik: Die Regierung habe
Wirtschaftsinteressen vor jene der Arbeitnehmer gestellt, ein fairer
Ausgleich für höhere Belastung, das so genannte Zeitguthaben, fehle. Das Gesetz stellt eine notwendige Anpassung an EU-Recht dar. Die
alte Regelung mit einem Nachtarbeitsverbot für Frauen war mit
Jahresende ausgelaufen, da sie dem Gleichheitsgrundsatz der EU
widerspricht.
Langes politisches Tauziehen
Dem heutigen Gesetzesbeschluss war Monate langes politisches
Tauziehen voran gegangen. Im März ist ein Sozialpartner-Gipfel
gescheitert, weil die Positionen zwischen Wirtschaft und Gewerkschaft
bzw. Arbeiterkammer zu sehr auseinander gingen und die Wünsche der
Arbeitnehmervertreter der Wirtschaft zu teuer sind.
Im heute beschlossenen Gesetz ist der Zeitraum der Nachtarbeit von
22.00 Uhr bis 5.00 Uhr festgelegt. Als Nachtarbeiter gilt, wer
regelmäßig oder in mindestens 48 Nächten im Kalenderjahr mindestens
drei Stunden in der entsprechenden Zeitperiode arbeitet. Die tägliche
Normalarbeitszeit hat im Schnitt höchstens acht Stunden zu betragen,
mit einer Mindestruhezeit von elf Stunden. Bei einer Überschreitung
gibt es neuerdings einen Anspruch auf zusätzliche Ruhezeiten im
Ausmaß von zwei Drittel der Überschreitung.
Neuerungen
Sowohl Schüssel (V) als auch der zuständige Wirtschaftsminister
Martin Bartenstein (V) hoben vor allem zwei weitere Verbesserungen
hervor. So haben in Zukunft alle Arbeitnehmer vor Antritt der
Nachtarbeit und danach im Zwei-Jahres-Rhythmus das Recht auf eine
Gesundenuntersuchung. Ab dem 50. Lebensjahr oder nach zehn
Nachtarbeitsjahren wird ein jährlicher Anspruch geltend. Bisher waren
nur alle drei Jahre Gesundenuntersuchungen vorgeschrieben.
Zweite wesentliche Neuerung ist, dass bei Betreuungspflichten im
Regelfall eine Versetzung auf einen Tagesarbeitsplatz gewährleistet
werden soll. Dies betrifft Personen mit Kindern bis zu einem Alter
von 12 Jahren.
Reinhold Mitterlehner, Generalsekretär-Stellvertreter der
Wirtschaftskammer Österreich, sprach in einer Aussendung von einer
"Kompensation der Belastungen für Nachtarbeiter". Für die Wirtschaft
entstünden keine zusätzlichen Kosten durch Arbeitszeitzuschläge. Das
sei in so ferne von Bedeutung, als Nachtarbeit in der Regel heute
deutlich höher bezahlt werde.
ÖGB-Chef übt massive Kritik
Massive Kritik übte hingegen ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch.
"Minister Bartenstein hat offensichtlich wieder einmal nur seine
Funktion als Wirtschaftsminister wahrgenommen. Der Gesundheitsaspekt
und die sozialen Rechte der ArbeitnehmerInnen wurden hintangestellt",
übte er Kritik und forderte nach wie vor ein zehnprozentiges
Zeitguthaben als Ausgleich für die besonderen Belastungen.
Ebenso die Vorwürfe der SPÖ-Bundesfrauenvorsitzenden Barbara
Prammer: ein fairer Ausgleich fehle und wäre nur durch das geforderte
Zeitguthaben, Zuschläge und individuelle Zeitregelungen gegeben
gewesen.
Öllinger: "Keine befriedigende Lösung"
Kritik übten
die Grünen: Sozialsprecher Karl Öllinger sieht "keine befriedigende
Lösung". "Das heute präsentierte Nachtarbeitsgesetz entspricht nicht einmal
den minimalsten Voraussetzungen. Nachtarbeit ist
gesundheitsgefährdend und sozial schädlich. Nachträgliche
Gesundheitsuntersuchungen sind höchstens eine zynische Reaktion auf
dieses Problem", argumentierte Öllinger. Seiner Meinung nach sollte
es nur unbedingt notwendige Nachtarbeit geben - nicht notwendige
unterbleiben.(APA)