Für den liebevoll angelegten Mustergarten vor dem FAO-Gebäude hat Meles Zenawi keinen Blick übrig. Wenn er sich dem Sitz der Welternährungsorganisation nähert, kommt dem äthiopischen Präsidenten die Galle hoch. Dort steht der 1937 von Mussolini als Kriegsbeute entführte Obelisk von Axum, den Äthiopien zurückwill. Zenawi nutzt die Bühne des World Food Summit, um Italien anzuprangern.Solche Misstöne vermögen die Laune von Regierungschef Silvio Berlusconi keineswegs zu trüben. Höflich nimmt er der Präsidentin von Sri Lanka die Tasche ab und fabuliert mit seiner Majestät Letsie III., König von Lesotho. Bunte Turbane und farbenfrohe Gewänder beherrschen das Bild. Der Konferenzsaal ist zu klein für die 4000 Delegierten. So trifft man sich in den Cafés oder Restaurants. Patrice Koé aus Côte d'Ivoire hat die Orientierung verloren und klagt über mangelnde Hinweise, Hirubura Balage aus Sri Lanka studiert das "Delegiertenmenu": Crêpes mit Pilzen, Lachs oder Rindsbraten, 12,65 Euro. "Zu teuer", klagt er. Für Regierungsmitglieder und Prominente hält man im VIP-Restaurant Marocco bei plätschernden Springbrunnen Langusten in Vinaigrette und Foie gras bereit. Abends stürmen Delegationen aus 182 Ländern die Restaurants zwischen Kolosseum und Pantheon und flanieren vor den vollen Nobelhotels der Via Veneto. Auch Besuche in Roms teuersten Boutiquen in der Via Condotti fehlen nicht. Die Senegalesen kaufen bei Valentino, der Präsident von Ruanda beim Nobelschneider Battistoni. Des einen Freud, des andern Leid: 300 Busfahrten fielen der Konferenz am Montag zum Opfer, Tausende warteten entnervt an Haltestellen. Der an Kummer gewöhnte Stadtpolizist Luigi Negri stöhnt: "Das ist die Apokalypse." Alessandro Gagliardi, Zeitungshändler neben dem Konferenzgebäude, will die FAO auf Schadenersatz klagen. Viele Geschäftsleute im abgeriegelten Stadtviertel am Circus Maximus lassen die Läden bis Donnerstag zu. Mehr Glück hatte die Römerin Nadia Nicoletti, deren weißer Mercedes auf dem Weg zur Hochzeit gestoppt wurde. Als sie die Kirche gegenüber der FAO wählte, hatte sie vom Gipfel keine Ahnung. Ihren Tränen konnten die Polizisten aber nicht widerstehen. Einem Pharmalieferanten, der Arzneien ins San-Giovanni-Spital bringen sollte, rieten sie: "Leg dich auf die Straße, dann lassen wir dich einliefern!" (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.6.2002)