Trotz der wachsenden Unterstützung der Slowaken für die EU-Integration hat nur ein Bruchteil der Bevölkerung auch konkrete Vorstellungen, was ein Beitritt zur Union tatsächlich bedeutet. Viele erhoffen sich einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft, der sich im Endeffekt auch auf ihre persönlichen Lebensbedingungen auswirken wird. Die tatsächlichen Auswirkungen eines EU-Beitritts schilderte vor kurzem eine Studie der Slowakischen Akademie der Wissenschaften. In den ersten zehn Jahren wäre demnach die Mitgliedschaft durchaus kein Spaziergang im Rosengarten: Die Slowaken müssen sich auf einen Preisanstieg um rund 15 Prozent gefasst machen, wobei die Löhne wesentlich langsamer nachziehen werden. Auch die jetzt schon hohe Arbeitslosenrate wird zunächst weiter steigen - auf bis zu 30 Prozent.In der Frage Nato-Mitgliedschaft ist die Situation dagegen klar: Die kleine Slowakei wird in einem starken Bündnis besser aufgehoben sein. Die Einladung in die Allianz könnte schon auf dem Prager Nato-Gipfel im November erfolgen - falls der umstrittene Expremier Vladimír Meciar dann nicht an die Macht zurückgekehrt ist. Meciar mit seinem autoritären Führungsstil und engen Beziehungen zu Moskau sowie die undurchsichtigen Strukturen des Geheimdienstes SIS unter Meciars treuem Anhänger Ivan Lexa waren der Grund, dass die Slowakei 1997 nicht zusammen mit Tschechien, Ungarn und Polen aufgenommen wurde. Auch diesmal ist die Botschaft des Westens klar: Meciar und Nato-Mitgliedschaft schließen einander aus. Die Warnungen haben in der Slowakei zweierlei Effekt: Zum einen versuchen einige politische Gegner im gerade beginnenden Wahlkampf, diese Karte gegen Meciar auszuspielen. Zum anderen fühlen sich die slowakischen Wähler benutzt. Nach einer jüngst veröffentlichten Meinungsumfrage des Slowakischen Rundfunks halten 50,8 Prozent der Slowaken die Befürchtungen des Auslands wegen eines möglichen Comebacks von Meciar für einen harten Eingriff in den freien Wettbewerb der politischen Parteien im Land, 46,9 Prozent sogar für eine Verletzung ihres Rechts auf eine freie Wahlentscheidung. Nur 36,6 Prozent geben hingegen an, dass sie die Äußerungen westlicher Politiker bei der Abstimmung auch berücksichtigen werden. (rka, Der STANDARD, Printausgabe, 13.6.2002)