Wien - Nato-Generalsekretär Lord George Robertson hat am Freitag die europäischen Staaten aufgefordert, mehr Mittel im Kampf gegen Terror aufzuwenden. "Wenn wir uns gegen zukünfige Bedrohungen verteidigen wollen, dann müssen wir jetzt investieren", sagte Robertson der Presse am Rande einer Konferenz über "Internationale Sicherheit und den Kampf gegen Terrorismus". Dabei gehe es nicht nur um Geld, sondern auch um den effektiveren Einsatz der vorhandenen Einrichtungen, sagte der ehemalige britische Verteidigungsminister. So seien derzeit 2,3 Millionen Mann in Westeuropa unter Waffen, aber nur zehn Prozent davon bei einer Krise einsatzfähig. Europa müsse dringend seine Prioritäten neu ordnen. Angesichts der Bedrohung durch biologische, chemische und radioaktive Terrorwaffen seien die Bürger verwundbar, "und nichts geschieht. Die Regierungen müssen aufwachen und erkennen, dass die Bedrohung wirklich existiert."

Österreichs Verteidigungsminister Herbert Scheibner nahm Robertsons Forderung als Stichwort, um sich erneut für die im Koalitionsabkommen festgeschriebene Steigerung der österreichischen Rüstungsausgaben einzusetzen. Es gebe Bedrohungen, "denen man nicht mit einem Steuerbescheid, nicht mit einem Pensionsbescheid begegnen kann", sagte der von seinem Parteifreund Karlheinz Grasser kurz gehaltene Ressortchef.

Im Kampf gegen den Terror gebe es "kein Abseitsstehen und keine Neutralität", sagte Scheibner. Ohne Jörg Haiders Irakreisen direkt anzusprechen, definierte er Österreichs Rolle vor allem als "möglicher Vermittler zwischen Europa und der arabischen Welt."

Robertson bezeichnete den Kampf gegen den internationalen Terrorismus als erste Priorität der Nato. Die westliche Allianz stehe im Zentrum des von den USA geführten Feldzuges, der nicht nur mit militärischen Mitteln geführt wird, und habe daher entgegen mancher Kritiker nicht an Bedeutung verloren.

"Andere Übel"

Der Konsens der versammelten Politiker und Militärs aus über 30 Staaten, wonach der internationale Terror die zentrale sicherheitspolitische Aufgabe sei, wurde nur durch den Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, gestört, der davor warnte, "andere Übel" außer Acht zu lassen und Terrorismus mit Islam und der arabischen Welt gleichzusetzen. Dies sei "eine extreme Form des Antisemitismus", spielte Mussa auf die gemeinsamen semitischen Wurzeln von Juden und Arabern an. Und: "Internationaler Terrorismus hat keine Religion und keine Nationalität", dies hätten die Terrorserien der RAF in Deutschland und der Roten Brigaden in Italien gezeigt.

Auch sollte man sich davor hüten, im Namen der Terrorbekämpfung die Rechte des Einzelnen sowie das Prinzip der Unschuldsvermutung außer Kraft zu setzen - was manche Kritiker derzeit den USA vorwerfen. Die arabische Welt stehe "entschieden auf der Seite des Westens", so Mussa, doch müsse man auch die Wurzeln des Terrors beachten, etwa die israelische Besatzungspolitik und das Leid der Palästinenser. (ef, DER STANDARD, Printausgabe, 15./16.6.2002)