Tschechische Republik
Niedrige Wahlbeteiligung war Kommunisten hilfreich
KSCM konnte als einzige Partei Stimmen gewinnen
Prag - Neben den starken Gewinnen der Kommunisten (KSCM) war
die niedrige Beteiligung bei der Parlamentswahl in Tschechien das
signifikanteste Ereignis. Nur knapp 58 Prozent der Wahlberechtigten
gaben am Freitag und Samstag ihre Stimmen ab. Das war die niedrigste
Wahlbeteiligung seit dem Ende des Kommunismus. 1996 waren 76,41
Prozent zur Wahl gegangen, 1998 waren es 74,03 Prozent. Der massive Einbruch ist nach Ansicht von Experten vor allem auf
eine enorme Unzufriedenheit der Wähler mit ihrer herrschenden
politischen Klasse zurückzuführen. Die demokratischen Parteien wie
die Sozialdemokraten (CSSD), die Demokratische Bürgerpartei (ODS) und
die "Koalition" (Bündnis Volkspartei-Freiheitsunion/Demokratische
Union) verloren jeweils bis zu 500.000 Wähler, analysierte der
Politiologe Tomas Lebeda im privaten Fernsehsender "Nova". Die
Kommunisten hingegen konnten gegenüber der letzten Wahl rund 220.000
Stimmen dazugewinnen.
Stammwähler
In absoluten Zahlen kam die KSCM damit heuer auf mehr als 882.000
Stimmen. Die Sozialdemokraten blieben zwar stärkste Partei, fielen
aber von 1,92 Millionen im Jahr 1998 auf 1,43 Millionen. Die ODS
erreichte vor vier Jahren 1,65 Millionen und heuer nur mehr 1,16
Millionen. Der Abstand zu den Kommunisten ist damit gefährlich klein
geworden. Jene Parteien, die heuer als "Koalition" im Bündnis
antraten, erreichten 1998 in Summe 1,13 Millionen Stimmen, dieses Mal
waren es weniger als 680.000.
Die niedrige Wahlbeteiligung half nach Ansicht von Experten vor
allem den Kommunisten, aber auch der ODS von Vaclav Klaus. Beide
Parteien verfügen über das größte Stammwähler-Publikum, während
umgekehrt die "Koalition" am meisten auf Wechselwähler angewiesen
ist. Das miserable Abschneiden der Klaus-Partei illustriert auch ihr
Ergebnis in ihrer Hochburg Prag, wo sie zwar stärkste Partei blieb,
aber von 42,45 Prozent im Jahr 1998 auf 33,83 Prozent einbrach.
Zugleich konnten auch hier die Kommunisten stark zulegen und stiegen
von 6,99 auf 11,1 Prozent.
Oppositionsvertrag
Als wichtigsten Grund für die Unzufriedenheit der Bevölkerung
nannten Experten und Politiker schon in der Wahlnacht vor allem dem
so genannten Oppositionsvertrag zwischen CSSD und ODS in den
vergangenen vier Jahren. Damals hatte die beiden Kontrahenten völlig
überraschend eine Vereinbarung über eine CSSD-Minderheitsregierung
unter Milos Zeman unter Duldung der ODS von Vaclav Klaus beschlossen.
Viele Wähler fühlten sich damals betrogen, da beide Parteien im
Wahlkampf eine Zusammenarbeit ausgeschlossen hatten.
Hinzu kam der Stil einer stillschweigenden Vereinbarung anstelle
einer offenen "großen Koalition", die vielen Bürgern missfiel. Die
beiden Großparteien machten sich nachfolgend zügig an die Aufteilung
der Macht, obwohl sie sich theoretisch als (Minderheits-) Regierung
und Opposition gegenüberstanden. Auch Präsident Vaclav Havel äußerte
sich wiederholt kritisch zu diesem Machtkartell. Die Idee einer
Zusammenarbeit von CSSD und ODS, die auch nach den heurigen Wahlen
eine bequeme gemeinsame Mehrheit hätten, wurde so in den Augen den
Bevölkerung weitgehend diskreditiert, auch wenn Tschechien in diesen
Tagen angesichts des nahenden Endes der EU-Beitritssverhandlungen
eine starke Regierung mit klarer Mehrheit bräuchte.
Als weitere Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung wurden von
Experten die teilweise aggressiven Töne im Wahlkampf und der Zerfall
der "Vierer-Koalition", dem Vorläufer der "Koalition", genannt. Die
niedrigste Wahlbeteiligung um ganzen Land wurde in der Region
Karlsbad mit knapp 50 Prozent verzeichnet, die höchste in Vysocina
mit 62 Prozent. In beiden Regionen war die CSSD stärkste Partei. (APA)