Linz - "Ich weiß es nicht." "Ich kann mich nicht mehr erinnern." Diese Sätze kennzeichnen am Montagmorgen den Verlauf des dritten Tages im Linzer Strychnin-Prozess um den Tod zweier Perger Jugendlicher im vergangenen Sommer. Der dritte Angeklagte, ein 16-jähriger Schüler, fällt bei seiner Vernehmung vor allem durch selektive Erinnerung auf. Für Walter Eichinger, den Vorsitzenden, ist die Befragung daher keine leichte Aufgabe. Der Teenager versucht sich als fast unwissendes Opfer der Freundschaft mit seinem 23-jährigen Mitangeklagten darzustellen. Kommt die Sprache auf einen für ihn heiklen Punkt, setzen die Lücken ein. Erst wenn Eichinger ihm seine Aussagen vor dem U-Richter vorhält, lenkt der 16-jährige ein. "Dann wird es schon so gewesen sein."Sicher, er habe gewusst, dass Strychnin giftig sei, aber das sei jedes Suchtgift. Er sei nicht dabei gewesen, als die anderen beiden beschlossen, dem Perger Pärchen das Gift zu schenken. Er habe vorgeschlagen, die Rettung zu rufen, als die Krämpfe bei den Opfern einsetzten, aber nur der 23-Jährige habe ein Handy gehabt. Nach dem Tod der 13jährigen Sandra sei er nach Hause gegangen, da er den Eindruck hatte, Dominic würde durchkommen. An seinem Ertrinkungstod hätten vielleicht die anderen beiden Schuld, er wisse es nicht. Nur einmal im Laufe des Vormittags kommt es zu einem Ausbruch. Fast ansatzlos beginnt der Angeklagte den Richter anzuschreien. "Glauben Sie, ich habe meinen Freund umgebracht? Was wollen Sie von mir, ich habe nichts gemacht", bricht es aus dem schmächtigen Burschen, ehe er von einem kurzen Weinkrampf geschüttelt wird. Ein klareres Bild, was in der Tatnacht in Perg geschehen ist, werden die Geschworenen nach der Einvernahme kaum haben. Neben den Erinnerungslücken verwickelt sich der Angeklagte teilweise auch in Widersprüche. Seine Angaben zum zeitlichen Ablauf der Vorfälle sind ebenfalls vage bis irreführend. Am Freitag wird der Prozess mit der Befragung der ersten Zeugen fortgesetzt. (DER STANDARD, Print, 18.6.2002)