Wien - Die zunehmende Komplexität von Software macht es notwendig, schon bei der Programmierung kontinuierliche Tests einzubauen. "Das muss parallel zum kompletten Lebenszyklus von Software laufen", sagt Roland Tscheinig, Geschäftsführer von Objentis, einem Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, irgendwo anders entwickelte Programme auf Herz und Niere zu testen. Denn: "Am besten ist es, wenn man das Testen außer Haus gibt, weil die Personen frei sind von vorgegebenen Gedankengängen. Sich selbst testen geht nämlich nicht."

Ein weiterer Grund für die hohen Zuwachsraten, die dem Software-Testing prognostiziert werden: Mit jedem neuen Release, mit jedem Update muss sichergestellt werden, dass die alten Funktionalitäten im Programm noch drinnen sind. Außerdem lassen sich durch systematisches Testen, das gleich bei Programmierstart mit dabei ist, hohe Kosten einsparen, führt der Vorstandsvorsitzende von SQS, Rudolf van Megen aus: "Ein Abnahmetest hintennach ist zu wenig."

Unternehmen wie SQS (Software Quality Systems AG), Objentis oder EDV-Butler verwenden dabei eigenentwickelte oder zugekaufte Softwaretools, die von Unternehmen wie Compuware oder Rational entwickelt werden. Dabei haben die Dienstleistungstester zwei Stoßrichtungen: Fehler bzw. Probleme finden und sicherstellen, dass die Geschäftsprozesse auch so funktionieren wie geplant.

Kostenfrage

Dabei ist das Testen nicht billig. Angenommen wird, dass auf zwei bis drei Softwareentwicklerstunden bereits eine Teststunde kommen sollte. Realität aber ist oft etwas ganz anderes. "Die Testkultur steckt noch in den Kinderschuhen", meint Tscheinig. Sehr oft komme auf hundert Programmierstunden nur eine Stunde, die für Tests aufgewendet wird. Vor allem Versicherungen, Banken und große Industrieunternehmen haben entdeckt, dass Nichttesten enorme Folgeschäden nach sich ziehen kann, mit all den Problemen von Haftungsfragen, weiß Wolfgang Biebel vom EDV-Butler.

Ein weiterer Aspekt für die relativ "junge Disziplin" des Testens ist, dass "die heutigen jungen Programmierer anders entwickeln wie die Gurus von früher", sagt Tscheinig. Das Softwareentwickeln beschränke sich nicht mehr auf das Kreieren einzelner Codezeilen, sondern sei ein modulartiger Prozess, bei dem viel assembliert wird und bei dem am Anfang ein Internetresearch stehe mit der Frage: "Was gibt es bereits, was können wir wiederverwenden?". Da das Testen aber Geld und Zeit kostet, wurden Benchmarks zur Messung von Ergebnissen entwickelt. Dabei wird hochgerechnet, wie viele Fehler in einer Software aufgrund ihrer Länge und Komplexität ganz einfach sein müssen.

Damit wird der Testprozess dann auch kalkulierbar. Man geht davon aus, dass fünf bis acht Prozent der Codezeilen fehlerhaft sind. Und dass 65 Prozent der Fehler gefunden werden können - worauf die Software in Echtbetrieb gehen kann. Vonseiten der Kosten geht man davon aus, dass mithilfe solcher systematischer Tests "weniger Zeit mit weniger Kosten" für den Softwareentwicklungsprozess aufgewendet werden muss, wie van Megen hervorstreicht. (Johanna Ruzicka/DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2002)