"Ein Politiker ohne Macht ist wie ein Sänger ohne Mikrofon", meint Nicolas Sarkozy, sprach's und schwang sich auf, wieder ein Regierungsamt zu erobern.

Nach dem Zusammenbruch der Linken nach den französischen Präsidentschaftswahlen im Mai firmiert der ungenierte Sarkozy ("kleiner Wuchs und große Klappe", sagt er von sich selbst) als Nummer zwei der neuen bürgerlich-konservativen Regierung in Paris. Seit dem endgültigen Sieg der Rechten bei den Parlamentswahlen vergangenen Sonntag hat der Minister mit dem neu etikettierten Ressort für "Inneres, innere Sicherheit und lokale Freiheiten" nun auch das Mandat, das große Wahlversprechen von Präsident Jacques Chirac zu erfüllen - den Kampf gegen die angeblich dramatisch gewachsene Unsicherheit in Frankreichs Städten.

Sarkozy war schon während der für Chirac so entscheidenden Wochen zwischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen recht umtriebig. Mit inszenierten Razzien unter dem Auge des Ministers wie etwa im Straßburger Stadtteil Meinau (Ausbeute: mehrere gestohlene Haushaltsgeräte, eine Pistole, acht vorübergehende Festnahmen) demonstrierte die neue Regierung ihren Willen, das Ende der "Straflosigkeit" in den Vor- städten einzuläuten. Oder, wie Sarkozy zeitgemäß martialisch formuliert, "das Eisen in die Zonen des rechtsfreien Raums zu tragen".

Im höfischen Leben von Frankreichs Konservativen mit ihren erkauften (Giscard d'Estaing senior und junior) oder ererbten (der bereits geschasste Europaminister Donnedieu de Vabres) Adelstiteln, gelebter Noblesse und Intrigen hat Nicolas Sarkozy, Sohn des emigrierten ungarischen Gutsbesitzers Paul Sarközi de Nagy Bocsa, den Part des jungen Ritters, der frei von Furcht, aber nicht ohne Tadel ist. Zweimal schon verriet der heute 47-Jährige seine politischen Mentoren: 1983 drängte er ohne viel Federlesen Charles Pasqua - lange Zeit einer der wichtigsten Barone des Gaullismus - aus dem Rennen und ließ sich zum Bürgermeister des teuren Pariser Vororts Neuilly wählen, dem er heute noch vorsteht; als Budgetminister und Regierungssprecher lief er 1994 in das Lager von Edouard Balladur über und unterstützte dessen Präsidentschaftskandidatur gegen Jacques Chirac, den "Freund aus dreißig Jahren". "Petit salaud" - "kleiner Lump" -, zischte Chirac.

Sarkozy, aufgewachsen unter der Obhut des Großvaters, eines Überlebenden der jüdischen Gemeinde von Saloniki, von Beruf Anwalt und Vater zweier Kinder, trat nach Chiracs erster Wahl zum Staatschef einen Bußgang an, sprang als Parteichef ein, hielt seinen Kopf für die Europawahlen 1999 hin (zwölf Prozent) und machte sich auch sonst unentbehrlich. 2007 will er selbst in den Elysée-Palast. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2002)