Wenn es kein Lehrbuch gibt, muss man selbst eines schreiben. So ähnlich muss Jacob Allerhand, Judaist an der Universität Wien, gedacht haben, als er sein erstes "Jiddisch. Ein Lehr- und Lesebuch" veröffentlicht hat. Seit den Siebzigerjahren unterrichtet er diese Sprache - ohne Buch, mit selbst verfassten Texten. Heute, Dienstag, präsentiert er die zweite, runderneuerte und ausgebaute Ausgabe. Es ist das einzige deutschsprachige Buch dieser Art.Die Nachfrage sei enorm, erklärt Allerhand im Gespräch mit dem STANDARD: "Jiddisch ist irgendwie in Mode gekommen. In meinem Unterricht sitzen viele Germanisten, Slawisten, Theologen und eine ganze Menge Schauspielschüler." Er ist überzeugt, dass man innerhalb eines Jahres Jiddisch lernen kann. "Wir haben hier einen großen Vorteil. Das Österreichische ist dem Jiddischen sehr ähnlich", sagt Allerhand: "Sie lesen, einfach gesagt, einen deutschen Dialekt in hebräischen Lettern." 70 Prozent des Wortschatzes sind Deutsch, die Grundlage des Jiddischen. Circa zehn Prozent des Vokabulars sind Hebräisch, der Rest ist slawischen Ursprungs. Aufgebaut ist das Buch in zwei Teilen: Der erste besteht aus wissenschaftlichen Anmerkungen zur Sprache, der zweite ist zum Üben. Dafür hat der Judaist die ersten zehn Unterrichtseinheiten transkribiert, "damit man sich selbst kontrollieren kann". Vor dem 2. Weltkrieg war das Jiddische die Muttersprache von mehr als zehn Millionen Menschen. (pm/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18. 6. 2002)