Kunst
Der Kompromiss als Zukunftswink
Edelbert Köb präsentiert ein erneut eröffnetes, entschlacktes Wiener Museum moderner Kunst
Erneut wurde das Wiener Museum moderner
Kunst eröffnet: Es präsentiert sich jetzt
entschlackt. Direktor Edelbert Köb verzichtet auf
der Suche nach einem Profil für das Haus mit
unglücklicher Geschichte auf den großen
Überblick. Auf Basis der Aktionisten will er
wechselnde Einblicke in die Sammlung geben. Wien - Mit Edelbert Köb hat
man dem Wiener Museum
moderner Kunst im Nachhinein einen Bauherren zugedacht. Sein Vorgänger, Lóránd
Hegyi, wollte diese Position
nie einnehmen. Kunsthistoriker sei er, und also für das
Sammeln, Bewerten und Bewahren zuständig. Seine Baustellen lagen in Ost- und Mitteleuropa. Von dort aus wollte
er Konstruktionen errichten,
die das Sehfeld der Kunstgeschichte erweitern, die Blicke
der Professionisten und auch
jene der Liebhaber durch die
engmaschigen Sicherheitszäune des geschäftigen
Kunstbetriebes hindurchführen sollten.
Das Haus im Quartier sollte
als Büro, als Lager und als
Wunderkammer dienen. Wie
es aussehen würde, rührte ihn
herzlich wenig. Und so ist fast
ohne sein Zutun ein Museum
entstanden. Seine Erscheinung verdankt es der Bereitschaft seiner Architekten Ortner & Ortner, sich so lange den
ebenso vagen wie permanent
wechselnden Absichten, die
mit dem Bau verbunden waren, zu beugen. Ortner & Ortner übergaben den Neubau
mit einer beachtlichen Mängeldokumentation, und Lóránd Hegyi, der noch vor der
Eröffnung verabschiedete
Gründungsdirektor, ließ, um
einmal noch seine Arbeit zeigen zu können, den Basaltblock von innen verhütteln,
skizzierte sein enzyklopädisches Weltbild in Dutzenden
Kabinetten. Haus und Sammlung gaben danach die Gegner
in einem nie erklärten Krieg.
Edelbert Köb begann den
Konflikt radikal zu schlichten:
Wo ohnehin viel zu wenig
Platz umbaut wurde, um alles
zu zeigen, dort muss auch jeder (Hegyis) Versuch eines
Überblicks scheitern. Wenn
das Haus mit seinen versetzten und noch dazu durch seinen imposanten Liftschacht
voneinander getrennten Ebenen jedem chronologischen
Bemühen widerspricht, dann
müssen einzelne Sektoren
eben getrennt voneinander
funktionieren.
Und dann muss in den Ortnerschen Luftraum eben eingedrungen werden, muss eine
Brücke her, um zumindest eine sonderausstellungstaugliche, also durchgehende Fläche zu simulieren. Heimo Zobernig hat das gemacht - weiß
und eckig, wie immer. Sein
Hohlquader als Steg über die
Liftklamm stört leidlich. Da
schmerzt die Projektion auf
den schwarzen Basalt, die Behelfsbrücke wäre vom Dorotheum finanziert worden,
schon weitaus mehr.
Zu betreten sind die nun
hoffentlich ordentlich kommunizierenden Ebenen noch
nicht. Köb eröffnet (zwecks
Optimierung der Zahl vermarktbarer Events?) in Etappen. Erst zur Vernissage von
Chris Burdens Installation
'Tower of Power' am Abend des
28.
Juni wird die Brücke, die
sich auch "Rauminstallation"
nennt, und als solche wiederum "Weißer Kubus", ihre
konzeptuelle und praktische
Tragfähigkeit beweisen müssen.
Anstatt einer klassisch musealen "Dauerausstellung"
konzentriert sich Köb auf
wechselnde, die charakteristischen Sammlungsbereiche
des Mumok dafür umfänglicher darstellende und um Dokumentations- und Archivmaterialien angereicherte Präsentationen. 'Fokus 01 - Rebellion & Aufbruch Kunst der 60er-
Jahre' rückt bis Oktober 2003
die Bestände an Fluxus, Nouveau Réalisme und Pop-Art in
Verbindung mit dem Wiener
Aktionismus aus dem Lager
ins Licht. Letzterer soll als
Sammlungsschwerpunkt ausgebaut und permanent gezeigt
werden - als logische Fortsetzung der Dauerschau im benachbarten Museum Leopold.
Bis 8.
September ergänzt eine
Installation von Ergebnissen
der 20.
Malaktion Hermann
Nitschs im Ovaltrakt des Museumsquartiers die Rückschau auf die Eigenart der
heimischen Rebellion.
Edelbert Köb hat erwartungsgemäß konsequent ausgemistet und raumkosmetisch
durchgegriffen. Er hat den
Bau, so gut es eben ging, adaptiert. Das Mumok bleibt ebenso erwartungsgemäß in jeder
Hinsicht ein Kompromiss -
ein neu gebauter. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.6.2002)