EU
Startschwierigkeiten beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs
Generalstreik führt zu Verspätung bei EU-Gipfel - Öffentliches Leben in Spanien lahm gelegt - Auseinandersetzungen in Madrid
Verzögerung, Verspätung,
Verschiebung - jene Schlagworte, die mitunter kennzeichnend für die gesamte EU-
Politik sind, beherrschten den
Vortag des Gipfeltreffens der
Staats- und Regierungschefs
der Europäischen Union in
Sevilla. Der am Donnerstag in
Spanien durchgeführte Generalstreik führte zu einer Verschiebung des offiziellen Gipfelstarts auf Freitagmittag.Zum Streik haben die beiden größten spanischen Gewerkschaftsverbände CCOO
und UGT aufgerufen. Die beiden Gewerkschaften haben
zusammen 1,8 Millionen Mitglieder, ein Zehntel der spanischen Arbeitnehmerschaft.
Sie protestieren gegen Pläne
der Regierung, das Arbeitslosengeld zu kürzen, wenn angebotene Arbeitsplätze nicht
angenommen werden. Spanien hat derzeit mit 11,3 Prozent
die höchste Arbeitslosenquote
in der EU.
Für Politiker, Diplomaten
und Journalisten, die nicht
rechtzeitig die Anreise nach
Sevilla geschafft hatten, war
es gestern fast unmöglich, in
die Gipfelstadt zu gelangen.
Der gesamte öffentliche Verkehr in Spanien war lahm gelegt. Die spanische Fluggesellschaft Iberia annullierte 80
Prozent ihrer Flüge. Mehrere
Regierungschefs mussten ihre
Anreise nach Sevilla verschieben.
Zum Stillstand kam de facto
das gesamte öffentlichen Leben. Vor allem die großen Fabriken und Autowerke hielten
sich an den Streikaufruf. Supermärkte und Gaststätten
hingegen hielten offen.
Nach Angaben der Gewerkschaftsverbände folgten 84
Prozent der Beschäftigten dem
Streikaufruf. Die Regierung
schätzte die Beteiligung auf
nur 16 Prozent und bezeichnete den Arbeitskampf als einen
großen Fehlschlag. In Madrid
kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaftern und Polizisten. 29
Personen wurden verhaftet.
Geteilte Meinungen zum
Streik auch auf der Straße.
"Ich verstehe die Gewerkschaften nicht. Dem Land geht
es gut. Der Streik ist vollkommen unnötig", erklärt der Möbelhändler Sebastian im Gespräch mit dem Standard. Zustimmung hingegen von der
Psychotherapeutin Rosemarie: "Die Pläne der Regierung
sind überzogen. Sie macht eine schlechte Politik nur zulasten der Arbeitnehmer."
Die sozialdemokratischen
Parteiführer Europas (SPE)
haben wegen des Generalstreiks ihr für Donnerstagabend geplantes Treffen verschoben. Man wollte sich
nicht dem Vorwurf des "politischen Streikbrechertums"
aussetzen. SPÖ-Chef Alfred
Gusenbauer, der von der SPE
mit der Ausarbeitung eines
programmatischen Grundsatzpapiers beauftragt wurde,
wird es beim SPE-Treffen im
Juli in Brüssel präsentieren.
Wie geplant ging das Meeting der konservativen Parteiführer (EVP) Donnerstagabend in Madrid über die
Bühne. Dabei kam es zum
Grundsatzbeschluss, dem Zusammenschluss der Europäischen Demokratischen Union
(EDU) mit der EVP.
Das Treffen der EU-Finanzminister (Ecofin) findet
entgegen ursprünglicher Absagepläne in Madrid statt.(Der STANDARD, Printausgabe, 21.6.2002)