Wien – Einsteigen, "Abheben": Zwar geht es nicht überall so leicht wie bei "Hydrogenia", dem Ergebnis eines "Kunststoffseminars", aber die Resultate der Leistungsschau der Universität für angewandte Kunst können sich größtenteils sehen lassen. Die in Zusammenarbeit mit dem "Gastgeber", dem Künstlerhaus Wien, ebendort gezeigte Ausstellung "The Essence 2002" versammelt 90 ausgesuchte Arbeiten aus den vergangenen eineinhalb Jahren. Sie ist keine ausschließliche Diplompräsentation, sondern ein Querschnitt durch das studentisch-junge – und wie bei allen Kunstunis Österreichs durch Einsparungsmaßnahmen eingetrübte – Treiben.

Mit schwer avantgardistisch-konzeptuellen Ansprüchen kommt man daher, mit absolut traditioneller Skulptur, mit Pragmatisch-Utopischem, etwa dem Entwurf eines UMTS-Handys mit integrierter Falt-Tastatur (Jakob Edlbacher). Auf Kultur- und Geistesgeschichte oder Philosophie (Exrektor Rudolf Burger) verweist der informative Katalog, etwa auf das unter der Leitung von Roman Horak durchgeführte interdisziplinäre Forschungsprojekt "Zur Theorie und Archäologie von 'Massenkultur' am Beispiel Wiens 1950-1970".

Im Bereich Architektur "holleint, hadids und prixt" es, dass sich die Balken biegen, auch im Wortsinn. Oben erwähntes, bereits prämiertes "Hydrogenia", ein "Floating Paradise", scheint der amorphen Unterwasserstadt aus "Star Wars IV" nachempfunden. Als Student/in darf man (noch) träumen – und das ist gut so. Konkreter werden die Träume bei Vorschlägen für die Neugestaltung des Raums um das zerstörte WTC in New York oder dem Entwurf des Wiener Nordbahnhofes.

Mäßig – mit Ausnahme der witzigen "Sofa-Diving"-Serie von Nina Rike Springer – ist das Niveau bei den Fotoarbeiten, im Kunstbusiness derzeit zwischen "en vogue" und "inflationär" schwankend.

Über den Werbespruch "Mit dem Kopf abspecken", Teil eines Kommunikationskonzeptes für eine Initiative zur Bekämpfung von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen, könnte man noch diskutieren. Aber dem Designinstitut würde sicher ein schönes Telekom Austria Logo einfallen. Ein hübsches Logo ("Hairforce") mit originellem Konzept ist die Umhang-Kampagne für "Mobile Friseure" von Nina Pavicsits.

Bei dieser Konkurrenz tun sich die Restauratoren und Konservatoren natürlich schwer, behaupten sich aber in einer fast installationsartig anmutenden Zerlegung bzw. Kopie einer Hl.-Geist-Skulptur (Pestsäule von Osjek).

Modemäßig überzeugen etwa die vorjährige Gewinnerin des RONDO-Modepreises, Agnes Bernet, oder die praktischen Taschen von Mia Kim ("Industrial Design").

Großartige Effekte mit einfachen, minimalen Mitteln erzeugen die drei in der Schau präsenten Schüler von Bernhard Leitner ("Medienübergreifende Bild-, Ton-, und Raumgestaltung") in zwei Videoarbeiten (Liddy Scheffknecht, Bianca Scharler) sowie Florian Knispels skulpturale Umsetzung einer 15-sekündigen Videosequenz, einer Bewegung seines eigenen Körpers.

Ob "Weltklasse-Universität" (Rektor Gerald Bast) oder nicht: Darauf muss man anstoßen – mit dem viereckigen, natürlich hausgemachten Designerglas! (DER STANDARD, Printausgabe, 21.6.2002)