Paris - In den Monaten vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich sollen die Pariser Geheimdienste auf Betreiben der Regierung belastendes Material gegen Staatspräsident Jacques Chirac gesammelt haben. Das Präsidialamt werfe sowohl dem Auslandsgeheimdienst DGSE als auch dem Inlandsgeheimdienst DST vor, angeblichen dunklen Kontakten des Präsidenten nachgegangen zu sein, berichtete die Pariser Tageszeitung "Le Monde" in ihrer Sonntagausgabe. Nachdem das Präsidialamt von diesen Nachstellungen erfahren habe, sollten DGSE-Chef Jean-Claude Cousseran und DST-Chef Jean-Jacques Pascal umgehend ausgetauscht werden. Vor Chiracs Wiederwahl Anfang Mai galt der damalige sozialistische Premierminister Lionel Jospin lange Zeit als chancenreichster Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl. Die Geheimdienste sollen laut "Le Monde" in dieser Zeit nach Materialien geforscht haben, die Chiracs "Finanzbeziehungen" zu Partnern in Libanon und Japan betrafen. Chirac bezeichnete es dem Zeitungsbericht zufolge als "skandalös", dass die Geheimdienste nach Materialien suchten, die ihn belasten könnten. Im Zentrum der mutmaßlichen Affären stehen demnach der libanesische Premierminister Rafic Hariri und der japanische Bankier Shoichi Osada. Schon seit Jahren gibt es Gerüchte, vor der Freilassung französischer Geiseln in Libanon seien 1988 in der Amtszeit Chiracs als Premierminister Lösegelder gezahlt worden und zum Teil wieder nach Frankreich zurückgeflossen. Der Japaner Osada, der im Mai 2000 wegen seiner Verstrickung in eine große Bankenpleite festgenommen wurde, rühmte sich ausgezeichneter Beziehungen zu Chirac und lud mehrfach französische Amtsträger zu Luxusreisen ein. Nach einem Bericht des japanischen Boulevard-Magazins "Shukan Gendai" vom Oktober 1999 soll Chirac sich 1994 in einem Hotel Osadas auf der Insel Awashima aufgehalten haben.(APA)