Seoul/Yokohama - FIFA-Präsident Joseph Blatter hat sich gegen Vorwürfe, WM-Gastgeber Südkorea sei durch Schiedsrichter-Entscheidungen absichtlich begünstigt worden, zur Wehr gesetzt. "Die Mutmaßungen betreffend Begünstigungen des Teams der Republik Korea entbehren jeder Grundlage", hieß es dazu am Montag in einer offiziellen Erklärung des FIFA-Chefs. Zugleich wies der Schweizer Spekulationen zurück, dass das WM-Finale nach dem Ausscheiden von Mitgastgeber Japan und angesichts des Halbfinal-Vorstoßes durch Südkorea nicht wie vorgesehen in Yokohama ausgespielt werden könnte. Der Schweizer gab sich in der Folge in einem Interview innovativ. Insbesonders was die leidige Schiedsrichterproblematik betrifft, verspricht der Präsident zu handeln und spricht sich für den Versuch mit einem Torrichter aus, um die Fehlentscheidungen zu minimieren. Wie fällt die WM-Bilanz des FIFA-Präsidenten aus? Blatter: "Wir erlebten und erleben noch eine interessante, bewegte, geräuschvolle und überraschende Weltmeisterschaft mit großem Unterhaltungswert. Die erste WM in Asien und in zwei Ländern wird nicht als Titelkampf des großartigen und spektakulären Fußballs in Erinnerung bleiben, sondern als gelungenes Debüt auf einem neuen Kontinent. Die Resonanz vor Ort und in der ganzen Welt ist überwältigend. Das Publikum in Südkorea und Japan hat Gefallen am Fußball gefunden. Die TV-Anstalten in aller Welt melden Rekord-Einschaltquoten." Wie sieht es finanziell aus? Noch nie wurde in eine WM so viel investiert. Blatter: "Finanziell wird diese WM kein Erfolg. In Asien wurden eigentlich zwei Weltmeisterschaften durchgeführt. Es mussten zwei Infrastrukturen erstellt werden. Äußerst aufwändige Installationen wurden getätigt, die man in Zukunft kaum mehr braucht. Zudem sind die Lebens- und Unterhaltkosten in beiden Ländern enorm hoch. Ebenso die Eintrittspreise." Ist es denkbar, dass auch künftig eine WM von zwei Veranstaltern organisiert wird? Blatter: "Ein Doppelmandat ist möglich, aber nur noch mit einem Organisationskomitee. Eine Redimensionierung drängt sich auf. 20 Stadien sind zu viel. Wir werden künftig maximal zwölf Arenen zulassen. Die Wege müssen kürzer werden, und die Technologie muss sich ebenfalls vereinfachen." Wann wird die WM 2010 vergeben? Blatter: "Sie ist vergeben. Afrika wird sie veranstalten. Das Exekutivkomitee hat die WM-Rotation bestimmt. Der Kongress hat dies nach der Wahl Deutschlands als Veranstalter für 2006 genehmigt. Im Jahre 2004 werden die oder der Organisator bestimmt." Ist das Turnier nicht zu lang und zu kräfteraubend. Spielen nicht zu viele Teams mit? Wird der Teilnehmerschlüssel geändert? Blatter: "Wir werden alles genau analysieren. 2006 werden jedenfalls nochmals 32 Mannschaften teilnehmen. Wie sich dieses Feld der WM-Finalisten zusammensetzt, wird sich zeigen. 1994 waren sieben Europäer unter den letzten acht, 1998 noch sechs. Und jetzt waren es mit Deutschland, Spanien, England und der Türkei nur noch vier. Dafür je einer aus Nord- und Südamerika (USA und Brasilien), sowie mit Senegal ein Afrikaner und mit Südkorea ein Asiate. Man sieht, dass der internationale Fußball zusammengerückt ist. Es gibt nicht mehr kleine und große Verbände, sondern nur noch gut und weniger gut vorbereitete." Schieds- und Linienrichterfehlentscheide haben zahlreiche Spiele beeinflusst... Blatter: "Es gab einige Fehlentscheide, gewiss. Die FIFA-Spitze ist weder blind noch blauäugig. 90 Prozent der Spiele verliefen aber problemlos. Die Schiedsrichterleistungen beurteile ich generell als gut, nicht aber die Arbeit ihrer Assistenten. Die Linienrichter waren ein echtes Problem. Ich möchte nicht mehr 7.500 E-Mails erboster italienischer Fans erhalten." Wie wollen Sie dieses Übel beseitigen? Blatter: "Es wird gravierende Änderungen geben. Bei der WM werden nur noch die weltbesten Schiedsrichter pfeifen. Egal aus welchen Ländern sie kommen. Es werden in Zukunft nicht mehr alle Verbände berücksichtigt. Allein die Leistung zählt. Es braucht erfahrene Profi-Referees und eingespielte Trios. Zudem werden wir im nächsten Jahr an einem der FIFA-Turniere (U17-, U20-WM, Frauen-WM, Konföderationen-Cup) einen vierten Unparteiischen versuchsweise einsetzen. Ein Torrichter soll das bisherige Trio unterstützen." Wo wird er platziert sein? Blatter: "Platinis Vorschlag ist noch nicht genau definiert. Wahrscheinlich hinter dem Tor, vielleicht auch daneben, auf der verlängerten Torlinie. Er soll das Spiel aus einer anderen Optik sehen als der Schiedsrichter, um Strafraumszenen und Standorte besser zu beurteilen." Man könnte auch Video-Beweise heranziehen, um die Fehlerquelle zu minimieren. Blatter: "Ich bin gegen Videobeweise. Was beweisen sie denn? Oft ist der Standort, die Perspektive entscheidend. Man kann das Spiel nicht noch mehr in die Länge ziehen. Und wie würde das Publikum reagieren, wenn Entscheide nach diversen Video-Konsultationen rückläufig gemacht werden? Fußball wird von Menschen geleitet. Und Menschen sind nicht unfehlbar. Das wird immer so bleiben." (APA/red)