Nur eine ganz kurze, lakonische Erklärung hat Ariel Sharons Kanzlei eine halbe Stunde nach der richtungsweisenden Rede von US-Präsident
George Bush veröffentlicht,
die der israelische Premier im
Fernsehen verfolgt hatte.
"Sharon hat bei vielen Gelegenheiten gesagt", so hieß es
darin, "wenn es ein absolutes
Ende des Terrors, der Gewalt
und der Aufwiegelung gibt
und wenn die Palästinensische Behörde echte Reformen
durchführt, was eine neue
Führung an der Spitze einschließt, wird es möglich sein,
über Fortschritte in den politischen Bahnen zu sprechen."
Eine kalkulierte Pose
Der zurückhaltende Ton
war aber, darin waren sich alle
israelischen Kommentatoren
einig, bloß eine kalkulierte Pose - man wollte Bush nicht
durch zu viel Lob erdrücken
und die tiefe Befriedigung darüber verbergen, dass die USA
nun Israels Situation endlich
begriffen hätten.
"Israel hätte keine bessere
Rede erhoffen können", lautete die erste Analyse im israelischen Fernsehen, und sogar
die regierungskritische Tageszeitung Ha’aretz titelte "Sharons Sieg". Linkspolitiker bemängelten zwar, dass Bush in
seiner Rede am Montagabend
"mehr von der amerikanischen Vision als von der nahöstlichen Realität" gesprochen
habe: "Die Politik der USA ist
verwirrt, sie haben keine blasse Ahnung, was sie machen
sollen", meinte etwa Exminister Chaim Ramon, einer der
Anwärter auf die Führung der
Arbeiterpartei. Doch Likud-Minister Dani Naveh freute
sich darüber, "dass auch der
Präsident der USA versteht,
dass Israel Recht hat: Gegenwärtig gibt es keine politische
Lösung, Israel hat Recht mit
seinem Krieg gegen den Terror
und mit seiner Forderung
nach der Ablösung Arafats."
Der Palästinenserchef hatte
keine andere Wahl, als zumindest offiziell gute Miene
zum bösen Spiel zu machen
und die für ihn unbequemen
Passagen zu ignorieren. Arafat
begrüßte das Konzept, das
seine eigene Entmachtung
vorsieht, als "ernsthafte Anstrengung, den Friedensprozess voranzutreiben".
Provisorischer Staat
Kabinettssekretär Ahmed
Abdel Rahman tröstete sich,
dass erstmals eine US-Regierung die Idee eines Palästinenserstaats übernommen
habe, was eine "historische
Änderung" sei, doch die Abgeordnete Hanan Ashrawi
fragte, was mit dem "provisorischen Staat" wohl gemeint
sei: Im Völkerrecht "gibt es so
ein Ding nicht". Ihr Kollege
Siad Abu-Siad tat Bushs Vorschläge als "realitätsfern" ab:
"Er sagt, das palästinensische
Volk verdient es nicht, unter
den Abriegelungen zu leben,
aber er sagt nicht, wie man einen Prozess beginnen kann,
der uns aus dieser Situation
herausholt."
Nur Stunden nach Bushs
Rede weiteten die Israelis ihre
Militäroperation aus, Panzer
rückten in den palästinensischen Teil Hebrons vor, vier
Autonomiepolizisten wurden
getötet. In der Gegend von Jerusalem wurde kurz vor der
Rede ein Selbstmordattentäter
abgefangen, der laut Polizei
mit Komplizen schon zu einem Einkaufszentrum unterwegs war. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.6.2002)