Wirtschaft
Manipulationen in Miliardenhöhe
WorldCom betrog seine Anleger und täuschte in den Bilanzen Gewinne vor
Clinton/New York - Ein neuer
Wirtschaftsskandal erschüttert die Finanzmärkte in den
weltweit: Der schwer angeschlagene US-Telekomriese
WorldCom hat Falschbuchungen von 3,85 Mrd. Dollar
(vier Mrd. Euro) vorgenommen. Ausgaben wurden einfach als Investitionen verbucht. WorldCom hat dadurch
für das Jahr 2001 und für das
erste Quartal 2002 Gewinne
verbucht, statt rote Zahlen
auszuweisen, teilte das Unternehmen mit.Es dürfte sich um eine der
schwersten US-Buchführungsbetrügereien handeln.
WorldCom könnte nach Ansicht von Wall-Street-Beobachtern der Gang zum Konkursrichter drohen. WorldCom sitzt nach 60 Firmenaufkäufen während der Neunzigerjahre auf einem Schuldenberg von mehr als 30 Mrd. Dollar.
WorldCom hatte 1998 den
Telekomkonzern MCI gekauft
und war bei der Übernahme
des US-Telefongiganten
Sprint nur am Widerstand der
Wettbewerbshüter gescheitert.
Aktie auf 20 Cents eingebrochen
WorldCom hat mehr als 20
Millionen Kunden und ist
nach AT&T die zweitgrößte
US-Ferngesprächsfirma. Sie
ist auch eine der weltgrößten
Internet-Netzwerkfirmen. Der
WorldCom-Aktienkurs ist auf
20 US-Cent eingebrochen. Er
hatte Anfang dieses Jahres
noch bei 15 Dollar und 1999
bei 62 Dollar gelegen.
Finanzchef gefeuert
WorldCom
hat seinen Finanzchef Scott
Sullivan sofort gefeuert. Die
Gesellschaft will ihre Ergebnisse für 2001 und für das erste Quartal dieses Jahres neu herausgeben und am Freitag
mit der Entlassung von 17.000
Mitarbeitern beginnen. Das
sind mehr als 20 Prozent der
Gesamtbelegschaft. "Unser
Führungsteam ist geschockt",
erklärte WorldCom-Chef John
Sidgmore. Er hatte den langjährigen Firmenchef Bernard
J. Ebbers am 29. April abgelöst. Ebbers schuldet WorldCom mehr als 366 Mio. Dollar
für Firmenkredite und -kreditbürgschaften. Die Gesellschaft bleibe lebensfähig, versichert Sidgmore.
Skandalserie
Die WorldCom-
Enthüllungen bilden den
jüngsten Höhepunkt einer
beispiellosen US-Skandalserie. Sie folgten dem Kollaps
des Energiehändlers Enron
und der Verurteilung seines
Wirtschaftsprüfers Andersen
wegen Justizbehinderung.
Hinzu kamen der Konkurs des
Telekom-Unternehmens Global Crossing und der US-Kabelfernsehfirma Adelphia sowie Untersuchungen der Aufsichtsbehörden bei dem
Mischkonzern Tyco. Andersen war bis vor kurzem auch
Buchprüfer bei WorldCom.
Andersen betonte, seine
WorldCom-Arbeiten hätten
stets im Einklang mit SEC und
professionellen Standards gestanden. (red, dpa, vwd, DER STANDARD, Printausgabe 27.6.2002)