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Die Qualität von Badegewässern regelt das EU-Recht, doch Gemeinschaftsvorschriften für die Nuklearsicherheit gibt es noch nicht. EU-Energiekommissarin Loyola de Palacio beklagt dies, verspricht entsprechende Vorschläge noch vor der Sommerpause oder kurz danach - und bleibt doch den nuklearen Traditionen der Europäischen Union verhaftet. Österreich mag das beklagen. Doch niemand wird von Brüssel zur Nutzung der Kernenergie gezwungen. Zudem ist schließlich auch Wien 1995 der Europäischen Atomgemeinschaft beigetreten.

Der Euratom-Vertrag von 1957 gilt heute noch - egal wie anachronistisch er Kernkraftgegnern erscheinen mag. Fortschrittsglaube und der Wunsch, durch die Förderung der Kernindustrie "zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten und zur Entwicklung der Beziehungen mit den anderen Ländern beizutragen", waren die Leitmotive von Euratom. In Frankreich denken viele bis heute so. Ein Nein der EU zu Atomstrom und Nuklearforschung ist daher unrealistisch.

Loyola de Palacio versucht nun, der schon immer nuklearfreundlichen Position Brüssels einen neuen ideologischen Unterbau zu verschaffen: Atomkraft trage zum Klimaschutz bei, da sie kein CO produziere, lautet die These. Doch die Neudefinition des Kernkraftwerks weg von der Fabrik des Fortschritts hin zur Umweltschutzeinrichtung kann nicht gelingen.

Zum einen gilt schon nach der in Bonn erreichten Konkretisierung des Kioto-Klimaschutzprotokolls ein Atomkraftwerk nicht als "Senke" für Treibhausgase. Zum anderen lässt sich der Reaktorstatus "sicherer Betrieb" nicht ohne die Unfallrisiken und die Umweltgefahren bei Ver- und Entsorgung beurteilen.

Die Energiekommissarin sollte also keine Klimalyrik verbreiten, sondern einfach rasch EU-Sicherheitsnormen vorschlagen. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.6.2002)