SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer wäre am 18. August dran, will aber nicht, weil er nicht kann. Zu dem vom ORF vorgesehenen Termin für das TV-Sommergespräch hat er bereits Urlaub mit Familie auf Korsika gebucht. Eine Verschiebung oder Unterbrechung des Urlaubs kommt für Gusenbauer nicht infrage.Den Vorschlag von ORF-Chefredakteur Werner Mück, der die Interviews auch selber führen wird, ein Kamerateam auf die Reise zu schicken, hält man sowohl in der SPÖ als auch im ORF für nicht tragbar. "Korsika ist nicht aus der Welt. Wir könnten ja hinfliegen", wurde Mück in der Kronen Zeitung zitiert. In der Löwelstraße rechnet man jedoch damit, dass die Verhandlungen mit dem ORF noch zu einer Verschiebung des Interviewtermins führen werden. In den September. Was aus Gusenbauers Sicht jedenfalls auch den Vorteil hätte, dass die Schulferien vorbei und damit mehr Zuseher vor die Bildschirme zu locken wären. Das ist typisch für die Sommerzeit: Sobald die Schüler in die Ferien entlassen sind, steht auch die Politik-Maschinerie - nach dem Ende der Parlamentssession (am 12. Juli) herrscht auch im Hohen Haus nur mehr ein Notbetrieb. Und wenn wirklich etwas passieren sollte? Dann muss man sich eben etwas einfallen lassen. So wie jener Gendarm, der sich auf das Moped geschwungen hat, um irgendwo in der Nähe des Erlaufsees den Verteidigungsminister zu suchen. Er fand ihn auch und konnte ihn überzeugen, dass der Herr Minister wirklich dringend im Büro anrufen sollte - um von seinem Mitarbeiter Ernst Maerker zu erfahren: "Du, Herr Minister, die Russen sind in der Tschechoslowakei einmarschiert." Das war im August 1968 - und weil damals auch der Bundeskanzler in seiner Villa nichts von den Vorgängen mitbekam und erst von ORF-Chef Gerd Bacher höchstpersönlich informiert werden musste, hat man in den folgenden Jahren das Kommunikationssystem verbessert. Das eigene Fernmeldenetz des Bundes wurde im Lichte der Erfahrungen der Tschechoslowakei-Krise errichtet. Ständig erreichbar Heute hat der Verteidigungsminister ständig zwei Handys bei sich - "und wir wissen, wo er hingeht und wie man ihn da erreicht", heißt es in seinem Büro. Gestört wird nur, wenn's dringlich ist, sonst geht der Urlaub vor. Auch Innenminister Ernst Strasser wäre nur in Notfällen zu einer Urlaubsverschiebung oder -unterbrechung bereit. Wie jedes Jahr fährt er auch heuer wieder nach Kreta, seit zwei Jahren funktioniert dort auch das Handy. Damit ist Strasser über Laptop und Internet auch jederzeit auf dem aktuellen Stand. Verfügbarkeit Die permanente Verfügbarkeit ist aus Strassers Sicht als Innenminister eine Notwendigkeit. "Ich habe auch in der Nacht ständig das Handy aufgedreht." Für Interviews würde er sich seinen Urlaub aber nicht zerstören lassen, nur bei Notfällen würde er versuchen, so rasch als möglich zurückzukehren. Was aber, wenn eine politische Notsituation es erfordert, dass rasch ein Gesetz beschlossen wird? In der allergrößten Not - etwa bei einer Atomkatastrophe, bei der unmittelbare Zwangsmaßnahmen zum Schutz der Ordnung erlassen werden müssten - könnte der Bundespräsident gemeinsam mit Regierungsmitgliedern Notverordnungen erlassen. Eine derartige Notlage hat es glücklicherweise noch nie gegeben, sagt Günther Schefbeck vom Parlamentsarchiv. Aber auch ohne allzu große Not kann der parlamentarische Sommerurlaub unterbrochen werden, siebenmal ist das seit 1945 passiert. Wenn zwei Drittel der Abgeordneten das verlangen, muss eine außerordentliche Tagung mit einer Sondersitzung anberaumt werden. Gelegentlich passierte das aus parteitaktischen Gründen (etwa 1972, als die ÖVP die Alleinregierung Kreisky wegen der UNO-City-Planung zwicken wollte), "was aber auch bei den Abgeordneten der betreffenden Partei nicht sehr populär ist", wie Bruno Aigner aus dem Büro von Nationalratspräsident Heinz Fischer anmerkt. Fischer ist in seinem Haus an der Hohen Wand auch im Sommer erreichbar - etwa, wenn eine Situation wie im Sommer 2000 eintritt: Da wurde der Nationalrat zusammengerufen, um das Katastrophenfondsgesetz zu novellieren. (Conrad Seidl, Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 27.6.2002)