Steuern
Trotz Warnung der Experten: Startschuss für Steuerreform
Koalition uneins, wer besonders profitieren soll
Wien - Das Schweigen des
Bundeskanzlers zur Steuerreform hat ein Ende. Wolfgang
Schüssel sagte dem STANDARD,
nun werde man "weniger Urlaub machen", um die Steuerreform auszuverhandeln: Sie
zu machen sei jetzt "möglich"
- wenn sie auch nicht sicher
sei: "Die Verhandlungen können auch noch scheitern."Wenn es eine Steuerreform
geben soll, dann müsse sie
auch entsprechend "spürbar"
ausfallen - für eine "kaum
spürbare Reform" lohne der
Aufwand nicht, "dann soll
man es lieber lassen". Auf Details wollte er nicht eingehen.
Andere in der ÖVP waren da
gesprächiger: "Mit Abstand
der größte Handlungsbedarf
ist bei der Entlastung der Unternehmer. Eine niedrigere
Besteuerung nicht entnommener Gewinne hat absolute
Priorität, zudem brauchen wir
ein Signal bei der Körperschaftssteuer. Und die Senkung der Lohnnebenkosten ist
ohnehin im Regierungsübereinkommen fixiert", sagt ÖVP-
Budgetsprecher Günter
Stummvoll zum STANDARD.
Der Koalitionspartner hingegen setzt andere Prioritäten:
Schon auf ihrem Parteitag Anfang Juni hat sich die FPÖ der Steuerreform verpflichtet,
FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler bekräftigte am Freitag noch einmal die Stoßrichtung der Freiheitlichen: Einkommen bis 3000 Euro müssten entlastet werden, das habe
"absolute Priorität".
VP: "Zynische Reform"
Das sieht Stummvoll anders: "Ich will keine zynische
Steuerreform. Ich will dem
kleinen Mann nicht sagen - du
bist ein bisschen entlastet, du
hast aber keinen Arbeitsplatz
mehr." Einkommen bis 3000
Euro niedriger zu besteuern
werde sich nicht ausgehen -
zur Arbeitsplatzsicherung sei
Entlastung der Unternehmen
wichtiger. Zumindest in der
ersten Etappe.
Denn mehr als ein Volumen
von einer Milliarde Euro, so
Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karl-Heinz Kopf zum
STANDARD, werde sich in der
ersten Etappe nicht ausgehen.
Kopf konzediert allerdings,
dass man "auch für die Arbeitnehmer etwas tun muss",
und spricht den Punkt an, in
dem sich ÖVP und FPÖ praktisch einig sind: Die Steuerfreigrenze soll angehoben
werden, und dabei, so Kopf,
"kann man großzügig sein".
Soll heißen: Wer weniger als
14.000 Euro pro Jahr verdient,
soll keine Steuern zahlen. Derzeit liegt die Steuerfreigrenze bei unter 8000 Euro.
Ausgabendisziplin
Stummvoll und Kopf beharren auf der versprochenen
Senkung der Lohnnebenkosten, wobei Kopf im ersten
Schritt damit zufrieden wäre,
die Zahlungen in die Fonds zu
senken, die Überschüsse haben: Unfallversicherung, Insolvenz, Arbeitslosenversicherung. Das wäre eine Summe von einer halben Milliarde
Euro - und damit die Hälfte
der versprochenen Senkung. Diese Lohnnebenkostensenkung, so Schüssel, sei auch
eine Form der allgemeinen
Entlastung, schließlich könnten die Gewerkschaften auch
rechnen - eine Entlastung
ginge also in die nächsten
Lohnrunden ein. Die Gewerkschaft fordert dessen ungeachtet eine Steuersenkung von 2,7
Milliarden Euro. Sein Hauptaugenmerk will der Kanzler
aber darauf lenken, dass aus
der Steuerreform zusätzliche
Wachstumsimpulse ausge 5. Spalte
hen: "Wir dürfen nicht innehalten im Stabilitätsziel."
Darin immerhin sind sich
ÖVP und FPÖ einig: Eine
Steuerreform müsse mit Ausgabendisziplin gekoppelt sein.
Das war auch die einzige
Festlegung, die sich Finanzminister Karl-Heinz Grasser
entlocken ließ: Eine Steuerreform müsse leistbar sein - und
hänge daher vom Erfolg der
Bugdetverhandlungen ab. (Eva Linsinger, Conrad Seidl/DER STANDARD, Printausgabe, 29.6.2002)