Auf den unzähligen Sommerbühnen des Landes leistet das Theater seinen begierig eingeforderten Beitrag zur Eventkultur. Jeder Bürgermeister, der etwas auf sich hält, räumt in den großen Ferien seinen Hauptplatz (Haag) oder Sportplatz (Gutenstein) für eine Zeltbühne, erklärt eine Felsschlucht zur Naturkulisse (St. Margarethen), adaptiert das Fluss- (Donauarena Melk) oder Seeufer (Sommerspiele Lunz), lässt Burgen, Schlösser (Perchtoldsdorf, Porcia, Liechtenstein, Laxenburg, Heunburg) oder die davon übrig gebliebenen Ruinen (Gars) bespielen. Die Sehnsucht nach dem Fest, als welches man das Theater ursprünglich gedacht hat, ist groß. Dieser Festgedanke wird einmal mehr, einmal weniger regionalpatriotisch betont, immer aber ist das Festspiel - ob als oberflächennahes Entertainment oder anspruchsvolle Kunst - im Kontext der Sommerfrische zu lesen. Auch wenn die Darbietungen nicht immer so frisch sind, wie sie demgemäß sein sollten: Sie boomen. Das Theaterfest Niederösterreich etwa erwartet heuer bei 18 Spielstätten und 24 Neuinszenierungen rund 220.000 Zuseher. Das Produktionsbudget im Vorjahr betrug satte 100.000 Mio. Schilling, 7,3 Mio. Euro. "Es ist ein Trend, der sich in den letzten Jahren sehr verstärkt hat", meint einer, der Österreich von innen wie von außen kennt: Hermann Beil, Kodirektor am Berliner Ensemble und aufrichtiger Festival-Fan. "Festspiele beweisen, dass Menschen ihr Bedürfnis nach Kultur in der Ferienzeit nicht in den Kleiderschrank legen. In Österreich ist das besonders ausgeprägt. Erstens ist hier die Theaterleidenschaft größer. Und zweitens hat das Land außerordentlich schöne Plätze. Den Touristenrummel rundherum muss man einfach gelassen sehen!" Wenn man mit dem überaus freundlichen Theatermacher Motivforschung betreibt und dabei in Erwägung zieht, dass es dem regulären Theaterbetrieb unterm Jahr eventuell an Unterhaltung mangelt, so meint Beil herzhaft: "Warum soll man ausgerechnet in den Ferien alles in Schutt und Asche legen!?" Die "Heiligsprechung" der Komödie ist nun einmal dem Sommer vorbehalten. Allerdings räumt der Festivalmitgestalter (voriges Jahr in Reichenau, heuer u. a. in Gmunden und beim Carinthischen Sommer) selbst Vorsicht ein: "Aus Burgspielen können auch Spekulationsruinen werden." Viele allerdings kenne er nicht, weder Kobersdorf noch Perchtoldsdorf. "Dazu kann ich nichts sagen." "Festspiele sollen vermitteln, dass Theater eine freudvolle Angelegenheit ist." Bei Variationen des Immergleichen fällt das nicht leicht, doch wir halten uns an Beils Grüße: "Viel Spaß beim Sommertheater!" (DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.6.2002)