Review by Susanne Linke Das Stück ist frappierend durch seinen Mut, der Banalität so bis auf den Grund zu gehen. Es bricht sämtliche klassische Regeln der künstlerischen Darbietung auf der Bühne. Dadurch entsteht eine entwaffnende Nacktheit der Ehrlichkeit der Präsenz der Personen auf der Bühne. Trotzdem gelingt Jérôme Bel das Wichtigste: die enorme Sensibilisierung der Wahrnehmung des Publikums für die kleinsten Details der Aktionen. Somit hatten wir als Publikum ein großes Vergnügen an der Ironie des ganzen Spektakels. Weiter so Jérôme!
Review by Jeroen Peeters Sometimes I am wondering if Jérôme Bel is a theatre director in the traditional sense of the word or rather a 'stage manager'. I mean, someone able to let the sun shine and imposing an ultimate control upon the world going on within this black box, that's something. Everything appears to be well-managed, operational so to speak. The presence of the performers is operational, even the event itself, although apparently happening here and now, is operational. 'The show must go on' drives this fenomenon to a hyperbolic extent, even touching the limits of these identities (this strange grinning faces...) and this way of making theatre (what seems to exceed language is at once readable in a song, Imagine, to give one example). Killing me softly... Because we are speaking about theatre (and of course Bel is a director in whatever sense of the word), note that the music, carrying the whole dramaturgy along, is spatialized precisely at the height of the frame separating stage and auditorium. Only in one scene one could suspect that the operational world has an everyday quality, La vie en rose, quoi... Maybe one should just reply with a song: "What's this? A little dust in my eye" (Laurie Anderson). If the show (theatre...) is supposed to proceed in this way, I'd say 'Yes!'.
Review by Nicole Haitzinger Der Bühnentod ist vollzogen, die Show muss weitergehen. Jerome Bel begibt sich auf die Suche nach dem kleinstmöglichen Zeichen in dem komplexen Zeichensystem von Theater, dem Zeichen vor dem Nichts und seiner Hülle, seinen Maskeraden. Ein Spiel mit dem Körper als Projektionsfläche, als kultureller Repräsentant. Doch unter dem Geflecht, den Oberflächenstrukturen zeigt sich der Verweis auf die Unteilbarkeit, Nichtreduzierbarkeit. Unter den über-, neben und ineinanderlagernden Schichten, die den Menschen als "Person" (Masken tragend) bezeichnen, stösst man auf eine Monade. Jeder einzelne im Zuschauerraum hat sein eigenes Archiv der Erinnerung, ein Gedächtnis des Körpers, das in "The show must go on" aktiviert wird. Erinnerungen an eine verlorene Liebe, einen Tanz, Tränen bei einem sentimentalen Kinofilm. Leiden, Lachen, Tod, Trauer, Zärtlichkeit können als Fragmente einer Sprache des Tanzes decodiert, enthierarchisiert, ironisiert und reflektiert werden. Die präzise gesetzte dramaturgische Struktur von TSMGO bewegt sich im Zwischenraum einer Enthüllung von kulturellen Verhaltensmustern auf der Bühne und der Aktivierung von individuellen Erinnerungen der im Auditorium sitzenden Menschen. Die Repräsentation von kulturellen Zeichensystemen begegnet der Sehnsucht und Unschuld des Imaginären. "My soul is painted like the wings of butterflies. Fairytales of yesterday will grow but never die, I can fly - my friends.", diese Zeilen aus den Lyrics von Queen vermischten sich mit dem Applaus des Publikums im Wiener Volkstheater, kaum wahrnehmbar und doch präsent.