Bild nicht mehr verfügbar.

Überlingen: Wrackfetzen flogen vom Himmel.

foto: apa/epa/bieri
"Es war wie ein furchtbares Gewitter. Ich bin auf den Balkon gegangen, da habe ich einen riesigen Feuerball vom Himmel stürzen gesehen." Henri Defontis steht an der Auffahrt zum Behindertenheim Brachenreuthe. "Meine Frau arbeitet dort, ich möchte sie abholen." Der Zutritt wird dem besorgten Mann aber verwehrt. Brachenreuthe im Überlinger Hügelland gehört zu jenen 57 Stellen, auf die es um Mitternacht nach dem Zusammenprall der beiden Maschinen Wrackfetzen und menschliche Körper hagelte. "Nur Chaos" Henri Defontis weiß nicht, was an der Arbeitsstelle seiner Frau wirklich passiert ist. Kein Wunder, besteht doch striktes Redeverbot seitens der Behörden und der Heimleitung. Daniel Maier, der am Dienstag seinen letzten Zivildiensttag hatte, muss es nun loswerden: "Das mein letzter Tag so ausschauen wird, hätte ich mir nicht gedacht." Daniel trat wie sein Kollege Robert Brendle um 9 Uhr morgens seinen Dienst an. "Nur Chaos. Überall im Gelände Flugzeugteile, das Allerschlimmste aber war der Schweinestall." Er schaudert. Im Biobauernhof der Behinderteneinrichtung hatte der Körper eines der Unfallopfer das Dach des Schweinestalls durchschlagen. Daniel: "Es war ein furchtbarer Anblick, auch wenn bereits eine Decke über dem Körper lag." Hundertschaften von Polizisten Robert und Daniel mussten den ganzen Tag über mit anderen Betreuerinnen und Be- treuern die rund hundert behinderten Kinder im Gebäude beschäftigen. Garten und Wald, sonst Lieblingsorte zum Spielen, sind seit der Nacht aber Sperrgebiet. Niemand von den Überlinger wird sich in den nächsten Tagen dort frei bewegen können. Hundertschaften von Polizisten durchkämmen die Felder und den Wald. Immer wieder werden sie fündig. Etwa bei dem Rumpfteil der am Heimgelände zerschellten Maschine. In dem Wrack saßen noch angegurtete, tote Menschen. Polizeidirektor Hans-Peter Walser: "Es wird sich leider nicht verhindern lassen, dass auch später noch Leichenteile im Gelände gefunden werden." Die ersten Opfer fand eine Überlinger Polizeistreife unmittelbar nach dem Crash. Walser: "Die Streife war zum Zeitpunkt des Absturzes nur 50 Meter von der Hauptabsturzstelle entfernt. Schon wenige Sekunden nach dem Knall fanden sie die ersten Opfer am Straßenrand." Schon vor der Polizei an der Fundstelle waren russisch-deutsche Jugendliche, Teil einer Einwandererkolonie in Überlingen. Sie sahen den "Feuerball" und "stürzten sofort ins Auto", aus Neugier, um zu schauen. Wenig später erfuhren, was passiert war. Sergej: "Ein Scheißgefühl ist das, wenn man weiß, da liegen Landsleute. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 3.7.2002)