Die Einführung eines Meldesystems samt Gebühr für Tagestouristinnen und -touristen hat Venedig jüngst weltweit in die Schlagzeilen gebracht. Aber warum sollte man überhaupt in die Lagunenstadt reisen, wenn es in Europa doch zahlreiche Alternativen gibt, deren Stadtbild mit Brücken und Wasserwegen an Venedig erinnert? Hier sind lohnenswerte Doppelgänger.

Brügge, Belgien

Der gesamte historische Stadtkern von Brügge ist Unesco Weltkulturerbe.
Der gesamte historische Stadtkern von Brügge ist Unesco-Weltkulturerbe.
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Brügge sehen, ohne gleich zu sterben: Wenn man durch Brügge spaziert, versteht man sofort, warum es "Venedig des Nordens" oder "die Schöne" genannt wird. Die flämische Stadt, die in einem ewigen Mittelalter zu leben scheint und wie ein Museum gepflegt wird, nichtsdestotrotz aber lebhaft und spannend ist, beschreiben Reiseführer gerne als einen der romantischsten Orte der Welt, als schönste Stadt Belgiens. Brügge liegt in Westflandern im Nordwesten von Belgien, knapp 20 Kilometer von der belgischen Nordseeküste entfernt. Der gesamte historische Stadtkern ist Unesco-Weltkulturerbe. Denn die historischen Gebäude wurden nie durch Kriege zerstört. Hier erlebt man also eine Stadt, die sich noch in ihrer ursprünglichen, mittelalterlichen Form zeigt.

Man kann sie einfach zu Fuß erkunden, durch die gepflasterten Gassen, über die eleganten Plätze schlendern und an den Grachten entlangwandern. Man kann aber auch einen Ausflug auf den stillen Grachten der Stadt unternehmen. Bei der Fahrt mit einem kleinen Boot über die Groenerei oder die Rozenhoedkaai kann man Brügge aus einem einzigartigen Blickwinkel bewundern und verborgene Winkel entdecken, die man zu Fuß nicht finden würde. Auch eine Tagestour nach Gent lohnt sich, denn die zweitgrößte Stadt in Flandern erreicht man schon nach einer 30-minütigen Zugfahrt. In Gent zählt vor allem der Genter Altar in der St.-Bavo-Kathedrale zu den Highlights der Stadt.

Amiens, Frankreich

Ein Netz filigraner Kanäle hat der französischen Stadt Amiens den Beinamen
Ein Netz filigraner Kanäle hat der französischen Stadt Amiens den Beinamen "Venedig des Nordens" eingebracht.
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Ein Netz von Kanälen hat der französischen Stadt Amiens den Beinamen "Venedig des Nordens" eingebracht. Kleine Holzbrücken führen über das 300 Hektar große, wasserreiche Gebiet, das rund zwei Stunden nördlich von Paris liegt. Inmitten der schmalen Kanäle entstanden im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche winzige Inseln, auf denen seitdem Obst, Gemüse und Getreide angebaut werden. Hortillonnages werden diese schwimmenden Gärten genannt. Wer hier unterwegs ist, entdeckt auf den Inseln neben Gemüsebeeten auch beeindruckende Kunstinstallationen. Jedes Jahr von Mai bis Oktober findet in Amiens das Internationale Gartenfestival statt. Künstlerinnen und Landschaftsgestalter aus aller Welt präsentieren dann ihre Werke inmitten der Sumpflandschaft.

Neben den Wasserwegen prägen Mühlen, dichtgedrängte Häuser und Cafés das mittelalterliche Viertel. Neben den schwimmenden Gärten ist Amiens vor allem für ihre majestätische Kathedrale bekannt. Die Notre-Dame d'Amiens steht nicht weit entfernt von Saint-Leu und ist mit 145 Meter Länge, 43 Meter Höhe und 200.000 Kubikmeter Raumvolumen die flächenmäßig größte Kathedrale Frankreichs.

Giethoorn, Niederlande

Reetgedeckte Häuser, wunderschön bepflanzte Vorgärten und natürlich die schmalen Wasserstraßen: Giethoorn gilt manchen als das romantischste Dorf der Niederlande. Die autofreie Siedlung im Naturschutzgebiet "De Wieden" lässt sich am besten per Boot erkunden. Dank Dutzender schmaler Holz-Brückchen sind die Häuschen aber auch für Fußgänger und Radfahrer erreichbar. Wer in den Frühjahrs- und Sommermonaten vorbeischaut, der findet ein strahlendes "Venedig Hollands" vor: Die gepflegten Gärten zeigen sich dann nämlich in voller Blütenpracht. Aber auch im Spätsommer und im Herbst ist das Dorf in der Provinz Overijssel eine Reise wert. Den besten Überblick über die Kanäle und die hübschen Reetdach-Häuser bekommt man bei einer geführten Tour. Wer allerdings lieber unabhängig ist, kann sich auch elektrische Boote leihen und selbst durch die Grachten schippern. Wer einen längeren Aufenthalt in Giethoorn plant, der kann auch noch eine Fahrradtour durch den Weeribben-Wieden Nationalpark ins Auge fassen.

Bamberg, Deutschland

Die ehemalige Fischersiedlung in der Bamberger Inselstadt wird liebevoll "Klein Venedig" genannt. Die Bezeichnung dürfte auf zwei Reisebuchautoren zurückgehen. Dicht gedrängte Fachwerkbauten und winzige Gärten bestimmen das Bild dieses Stadtteils, an den Stegen sind Boote vertäut. Die Fachwerkhäuser stammen überwiegend aus dem Mittelalter. Entlang der Regnitz reihen sie sich in einer hübsch geschmückten Zeile aneinander, Kähne dümpeln an den Anlegestellen in den Vorgärten. Mit dem Ausflugsschiff fährt man heute direkt an dieser einmaligen Häuserzeile vorbei. Etwa 80 Minuten dauert die Fahrt durch die Altstadt zum Hafen hinunter. Noch italienischer wird's nur bei einer individuell vereinbarten Gondelfahrt mit einem venezianisch gekleideten Gondelführer. Im August findet hier übrigens das größte Volksfest Bambergs, die Sandkerwa, statt.

Bydgoszcz, Polen

Ein eher unbekannter Doppelgänger Venedigs ist die polnische Stadt Bydgoszcz (zu Deutsch: Bromberg) am Wasser der Flüsse Brda und Weichsel. Geprägt durch zahlreiche Wasserwege, drängt sich der Vergleich zur Lagunenstadt aber förmlich auf. Neben den berühmten Fachwerkspeichern begeistern die alten Gotteshäuser, Denkmäler und Parkanlagen bei einem Bummel durch die Stadt. Ein Highlight ist die Mühleninsel. Sie misst über sechs Hektar und gilt als einer der schönsten Orte in Bydgoszcz. Auf ihr befinden sich die Rother-Mühlen, die aus dem 19. Jahrhundert stammen. Sie sind das Wahrzeichen der Mühleninsel und Zeuge der industriellen Vergangenheit von Bydgoszcz. Die Insel ist auch wegen ihrer friedlichen Atmosphäre beliebt, die auch von Einheimischen geschätzt wird. Wer aktiv werden möchte, tobt sich mit dem Nachwuchs auf einem der Spielplätze aus oder mietet sich ein Ruderboot für die fast freie Fahrt über die Wasserwege der Stadt. Wer nicht selbst rudern möchte, greift auf das öffentliche Schiff zurück, das in der Hauptsaison mehrmals täglich an den zentralen Sehenswürdigkeiten vorbeifährt. Wer sich eine traditionellere Art der Fortbewegung wünscht, kommt am Wochenende und fährt mit einem historischen Kahn.

Cork, Irland

Hat eine spezielle Lage am River Lee: Die irische Stadt Cork.
Hat eine spezielle Lage am River Lee: die irische Stadt Cork.
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Cork, das "Venedig Irlands", besitzt Dutzende von Kanälen und Brücken, das Zentrum der Stadt liegt auf einer Insel im River Lee. Auch die Übersetzung des irischen Namens "Corcaigh" (sumpfiger Ort) geht auf die Lage der Stadt an der labyrinthartig verzweigten Mündung des Lee zurück. Cork ist heute die zweitgrößte Stadt der Republik Irland und ist gleichzeitig eine bedeutende Industrie- und Handelsstadt und das wirtschaftliche Zentrum im Süden des Landes. Am besten erkundet man das Zentrum der Stadt zu Fuß. St. Patrick’s Street und Grand Parade sind die Haupt-Einkaufsstraßen und das Zentrum der Stadt.

Cork war einst der Mittelpunkt des europäischen Butterhandels. 1770 wurde sogar eine Butter-Börse gegründet. Vom Hafen in Cork, einem der weltweit größten Naturhäfen, wurden jährlich tausende Fässer mit gesalzener Butter bis nach Australien und Kanada verschifft. Dort wo einst die Butter-Börse war, ist nun das Buttermuseum. Im Osten der Stadt, in der Midleton Whiskey Distillery, wird der größte Teil der gesamten irischen Whiskey-Produktion gebraut. Wer sich an Cork sattgesehen hat, kann noch einen Abstecher nach Cobh machen, einer Hafenstadt in der Nähe von Cork. Für die Titanic war es der letzte Hafen, den sie auf ihrer Jungfernreise anlief. Von diesem Hafen aus verließen auch rund zwei Millionen Iren während der großen Hungersnot im 19. Jahrhundert ihre Heimat, um sich in Amerika eine bessere Existenz aufzubauen. (red, 30.4.2024)