Die EU-Kommission geht gegen die Instagram- und Facebook-Mutter Meta vor.
AFP/LIONEL BONAVENTURE

Nach Tiktok ist nun auch Meta ins Visier der EU-Kommission geraten. Diese wirft der Facebook- und Instagram-Mutter vor, das eigene Werbeprogramm so gestaltet zu haben, dass es von russischen Akteuren für Desinformation genutzt werden kann. Dies geht aus einem Hintergrundgespräch mit Beamten der EU-Kommission am Dienstag hervor.

Deshalb wurde ein Verfahren gegen Meta, den Mutterkonzern der beiden Social-Media-Plattformen, nach dem Digital Services Act (DSA) eingeleitet. In der EU-Kommission spricht man sogar von einem Verstoß gegen die Integrität von Wahlen. Das ist insbesondere in Bezug auf die bevorstehenden Wahlen zum Europaparlament zu verstehen. Schon lange gibt es die Befürchtung, Russland könnte versuchen, diese mit gezielten Desinformationskampagnen über Social Media zu beeinflussen, so wie es bereits in der Slowakei passiert ist.

Allzu tief müssen die Akteure der russischen Trollfabriken gar nicht in die Trickkiste greifen, denn Meta soll den Verfassern von Falschnachrichten sogar noch nützliches Werkzeug in die Hand geben. Die russischen Beeinflussungsversuche sollen nach Ansicht der Kommission nämlich ganz offiziell über die Werbeserver von Instagram und Facebook verteilt werden. Sprich: Russland bezahlt Meta dafür, Falschinformationen zu verbreiten. Laut Informationen aus der EU-Kommission wurde Meta bereits 2022 auf diesen Umstand hingewiesen, geändert wurde aber nichts.

"Keine wirksame Inhaltsmoderation"

"Es gibt keine wirksame Inhaltsmoderation bei Werbung", kritisiert eine Mitarbeiterin der EU-Kommission. Dies werde durch russische Akteure ausgenutzt, die KI-generierte Fake News und Deepfakes über den Algorithmus verteilen lassen. Aber es sind nicht nur Akteure aus Russland: Das Werbe-Programm von Meta erlaube es auch Finanzbetrügern, ihre Scams ungehindert zu verbreiten.

Bei gewöhnlichen, sprich unbezahlten, Postings sieht die Sachlage wieder ganz anders aus. Wie Meta bereits mehrmals betont hat, werden politische Inhalte auf Facebook und Instagram und auch Threads bewusst schlechter verteilt. Was genau Meta aber als politischen Inhalt definiert, ist völlig unklar. "Das ist völlig intransparent", so eine hochrangige Kommissionsbeamtin. Eigentlich wäre Meta dazu verpflichtet offenzulegen, wann ein Inhalt als "politisch" gewertet wird. In der EU-Kommission geht man demnach von verbotenem Shadowbanning aus. Userinnen und User müssen darüber hinaus informiert werden, wenn die Sichtbarkeit ihrer Beiträge eingeschränkt wurde – und sie müssen dagegen auch Berufung einlegen können.

Außerdem vermutet die Kommission, dass Meta auch bei den Meldemechanismen für illegale Inhalte gegen die europäischen Regeln verstößt. Die Meldung von illegalen Inhalten sei unnötig kompliziert und führe durch versteckte Menüs, so der Vorwurf. Gleichzeitig hat die Kommission den Verdacht, dass Meta kein wirksames internes Beschwerdesystem eingerichtet hat, mit dem Beschwerden gegen Entscheidungen zur Inhaltsmoderation eingereicht werden können.

Ersatz für Crowdtangle gefordert

Zu guter Letzt sieht der DSA vor, dass Daten über Inhaltsmoderation öffentlich und in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden. Auch gegen diese Pflicht soll Meta verstoßen. Das Unternehmen hat angekündigt, das Tool Crowdtangle abzuschaffen. Dieses Tool habe es der Forschung, Medien und der Zivilgesellschaft ermöglicht, durch Live-Dashboards etwa in Echtzeit Wahlen zu beobachten. Einen gleichwertigen Ersatz für das Tool gebe es aber nicht.

In Anbetracht der Reichweite der Meta-Plattformen in der EU mit über 250 Millionen monatlich aktiven Nutzern und im Zuge der Europawahlen, die vom 6. bis 9. Juni 2024 stattfinden werden, könnte eine solche Abschaltung zu einer Beeinträchtigung des zivilgesellschaftlichen Diskurses und der Wahlprozesse führen, heißt es in einer offiziellen Mitteilung der Kommission. Die Befürchtung: Die Möglichkeiten zur Verfolgung von Falsch- und Desinformationen, die Identifizierung von Wählerbeeinflussung durch Faktenchecker und Journalisten könnte eingeschränkt werden.

Die Kommission erwartet daher, dass Meta rasch einen Ersatz für den Dienst schafft. Meta hat fünf Arbeitstage Zeit, um derartige Maßnahmen zu präsentieren.

Insgesamt wirft die EU-Kommission Meta 13 Verstöße gegen Digital Services Act vor, wie aus der offiziellen Mitteilung zur Eröffnung des Verfahrens hervorgeht. Wie lange das Verfahren dauert, ist nicht geregelt, der DSA sieht keine Frist für dessen Beendigung vor. Während des Verfahrens hat die EU-Kommission spezielle Durchgriffsrechte gegenüber den Plattformen und darf nötigenfalls sogar Strafen verhängen. Diese können bis zu sechs Prozent des globalen Umsatzes ausmachen.

Von Meta liegt noch keine Stellungnahme zu den Vorwürfen der EU-Kommission vor. (Peter Zellinger, 30.4.2024)