Ein unerwarteter Todesfall, ein verschwundener Millionenbetrag und ein zersplittertes freiheitliches Lager, das sich auch juristisch bekämpft: Der Finanzskandal der steirischen FPÖ hat es immer noch in sich – und kommt nun auch in den U-Ausschuss zum rot-blauen Machtmissbrauch. Geladen ist dort auch Alexis Pascuttini.

"Ich werde jede Frage – ob sie zulässig ist oder nicht – wahrheitsgemäß beantworten", sagte der ehemalige FPÖ-Politiker und mittlerweile enttäuschte Gegner der Partei am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Der Klubchef der FPÖ-Abspaltung Korruptionsfreier Gemeinderatsklub (KFG) gab dort einen Überblick über die verschiedenen Verfahrensstränge in der Causa um mutmaßlich veruntreute Klubgelder in Höhe von rund 1,8 Millionen Euro.

Staatsanwaltschaft Klagenfurt ermittelt in der komplexen Finanz-Causa der steirischen FPÖ.
Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ermittelt in der komplexen Finanzcausa der steirischen FPÖ.
APA/PETER LINDNER

Der Skandal wurde öffentlich bekannt, als der damalige langjährige Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio im Oktober 2021 seinen Rücktritt angekündigt hat.

Selbstanzeige

Der Klubfinanzreferent Matthias Eder zeigte sich wenige Tage danach selbst an. Seither laufen die Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft (StA) Klagenfurt nach einem halben Jahr wegen des Anscheins der Befangenheit von der StA Graz übernahm.

Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen mindestens zehn Personen, darunter Eustacchio und auch Landesparteichef Mario Kunasek. Die Liste an Vorwürfen ist lang: Im Haupt- und mehreren Nebenverfahren wird dem Verdacht des Betrugs, der Untreue und des Fördermissbrauchs nachgegangen, aber auch der falschen Zeugenaussage, Unterdrückung von Beweismitteln, der versuchten Nötigung und des bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials (Paragraf 207a).

Ermittlungen betreffend den letzten Punkt wurden vor einer Woche gegen den ehemaligen blauen Gemeinderat Roland Lohr eingeleitet. Gefunden hatte man bei Lohr auch NS-Propaganda der übelsten Sorte. Ein Ermittlungsverfahren wurde diesen Montag aber eingestellt. Denn: Dass er die Dateien "zum Zwecke der Verbreitung des nationalsozialistischen Gedankengutes bereitgehalten" habe, konnte "nicht mit der im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden", heißt es im Akt.

Blauer Dunstkreis

Auch sonst tut sich im Dunstkreis der FPÖ Steiermark einiges: Ein ehemaliger FPÖ-Funktionär und mittlerweile ausgeschlossener Burschenschafter einer Verbindung, die als Kaderschmiede der Partei in Graz gilt, muss sich vor Gericht verantworten, weil er Crystal Meth gekocht und damit gehandelt haben soll. Das Verfahren läuft noch, der Mann, der der Bruder eines hochrangigen FPÖ-Politikers ist, ist teilgeständig. Außerdem wird gegen ihn im Zusammenhang mit einer pleitegegangenen Kryptowährungsfirma ermittelt.

In der letzten Woche überschlugen sich dann die Ereignisse. Am Sonntag, dem 21. April, ließ Mario Eustacchio – mittlerweile parteifrei – die Öffentlichkeit wissen, dass er das freigewordene Mandat von Roland Lohr übernehmen werde. Schon am Donnerstag wurde er dort bereits – ohne Applaus der anderen Fraktionen – angelobt.

Doch in der letzten Woche erschütterte vor allem eine andere Nachricht das Grazer Rathaus. Am Dienstag, dem Tag, an dem die Vorwürfe gegen Lohr nach Paragraf 207a bekannt wurden, wurde der langjährige Büroleiter Eustacchios tot aufgefunden.

Als Zeuge angefragt

Pascuttini gab nun bei seiner Pressekonferenz genau eine Woche später an, dass der KFG als Privatbeteiligter im Finanzverfahren den Mann mehrmals als Zeugen gefordert habe. "Jetzt wird er nie mehr einvernommen werden können", so Pascuttini. Bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt wollte man auf STANDARD-Nachfrage aber den Namen des Toten, der zuletzt Referatsleiter im Grazer Magistrat war, bis vor wenigen Tagen nie gehört haben.

Nun übernahm aber die StA Klagenfurt auch die Untersuchungen zu dem "bedenklichen Todesfall" am Freitag von der StA Graz. Eine Entscheidung, die der Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft Graz im Gespräch mit dem STANDARD damit begründet, dass der Mann eben nicht völlig losgelöst von seinem früheren Job gesehen werden könne. Bevor hier der Anschein einer Befangenheit entstehen könnte, übergab man die Untersuchungen also ebenfalls an die StA Klagenfurt.

Laut Staatsanwaltschaft Klagenfurt hat ein Gerichtsmediziner der Uni Graz im mündlichen Kurzgutachten bereits am Freitag angegeben, dass es keine Hinweise auf eine Fremdeinwirkung gebe. Allem Anschein nach habe sich der Mann selbst erschossen. Ein ballistisches Gutachten stehe aber noch aus und könne mehrere Wochen auf sich warten lassen. Und während im Finanzverfahren ebenfalls seit 2022 die Kripo in Kärnten ermittelt, liegen diese Ermittlungen noch bei der Polizei in Graz, die dann der StA Klagenfurt berichten müsse.

Neue Enthüllungen 

STANDARD-Gespräche mit Personen aus dem privaten Umfeld des Verstorbenen ergeben das Bild der völligen Ratlosigkeit ob möglicher Gründe für den mutmaßlichen Suizid. Der Anfang 42-jährige Burschenschafter sei gerade dabei gewesen, beim Bundesheer weiter Karriere zu machen.

Pascuttini erzählte in seiner Pressekonferenz am Dienstag, dass er selbst letzte Woche zunächst Polizeischutz beantragt und auch bekommen habe, als der Todesfall zuerst bekannt wurde. Doch am Dienstag sagt er: "Auch wenn die ganze Causa undurchsichtig bleibt, habe ich keine große Angst. Mit anstehenden Enthüllungen in den nächsten Tagen wird sich die See aber nicht unbedingt beruhigen!" Womit Pascuttini vielsagend weitere Neuigkeiten ankündigt. (Colette M. Schmidt, 30.4.2024)